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Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke

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Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke

Insel Verlag,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Rilkes berühmte Jugenddichtung begleitete unzählige Soldaten durch die Weltkriege.


Literatur­klassiker

  • Kurzprosa
  • Moderne

Worum es geht

Jugend, Liebe, Krieg

350 Zeilen, hingeschrieben in einer Herbstnacht bei Kerzenlicht: Auch wenn der Mythos um die Entstehung der Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke später entzaubert wurde, trägt Rilkes Jugendwerk doch etwas Unmittelbares in sich, das das letzte Jahrhundert überdauert hat. Die kurzen Szenen werfen Schlaglichter auf ein zu früh beendetes Leben: Erst 18 Jahre alt, fällt die Hauptfigur auf einem Schlachtfeld in Ungarn. Doch die historische Kulisse ist nebensächlich, austauschbar. Der Fokus liegt auf den Ängsten und Träumen des jungen Fahnenträgers, der kurz vor der entscheidenden Schlacht eine Liebesnacht in einem prunkvollen Schloss verbringt. Das Gedicht wurde zur Identifikations- und Projektionsfläche unzähliger junger Soldaten, „und viele dünne Bände der Insel-Ausgabe verwesen auf den Schlachtfeldern mit den Gebeinen jener, die dem dunklen Rufe folgen mussten: ,und dann der Feind ...‘“, so der Schriftsteller Wolfgang Paul. Auch wenn die Erlebnisse des Krieges heute vielen Lesern fremd sind, hat der Cornet mit seinem knappen, bildreichen Stil und seinen zeitlosen Themen nichts von seiner Wirkungsmacht verloren.

Take-aways

  • Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke gehört zu den bekanntesten Werken des Dichters Rainer Maria Rilke.
  • Inhalt: Der junge Adlige Christoph Rilke zieht in den Krieg gegen die Türken. Er wird zum Fahnenträger ernannt und erlebt eine Liebesnacht mit einer Gräfin, bevor er in der Schlacht stirbt. Sein Bruder erbt seinen Anteil am Familiengut.
  • Rilke hat die erste Fassung der kurzen Dichtung in nur einer Nacht geschrieben.
  • Inspiration für das Werk war eine Recherche Rilkes über seine Vorfahren.
  • Christoph Rilke lebte tatsächlich, es ist jedoch unklar, ob er ein Vorfahr des Dichters war.
  • Das Werk ist eine Mischform aus Prosa und Poesie.
  • Als erster Band der Insel-Bücherei erreichte die Novelle bis 1962 eine Auflage von 1 Million.
  • Das Büchlein wurde während der zwei Weltkriege von vielen Soldaten gelesen.
  • Rilke selbst konnte sich den ungeheuren Erfolg seines Jugendwerks nicht erklären. Er äußerte sich später kritisch über den literarischen Wert des Cornet.
  • Zitat: „Reiten, reiten, reiten, durch den Tag, durch die Nacht, durch den Tag. Reiten, reiten, reiten. Und der Mut ist so müde geworden und die Sehnsucht so groß.“

Zusammenfassung

Das Erbe

Der Adlige Otto von Rilke aus Langenau wird am 24. November 1663 zum Erben seines Bruders Christoph Rilke eingesetzt. Der Nachlass umfasst Christophs Anteil am Gut Linda. Christoph Rilke soll in Ungarn gefallen sein. Er war Cornet in der Reiterkompagnie des Freiherrn von Piravano und kämpfte im kaiserlich-österreichischen Heer gegen die türkischen Truppen. Das Erbe ist an eine Bedingung geknüpft: Otto muss seinen Anteil zurückgeben, sollte Christoph Rilke doch noch am Leben sein und nach Hause zurückkehren.

Im Sattel

Die Soldaten reiten den ganzen Tag. Die Landschaft ist eintönig und die Männer haben das Gefühl, dieselbe Strecke jeden Tag von Neuem zurücklegen zu müssen. Sie sind mutlos und müde, und es ist heiß wie im Sommer zu Hause, obwohl es schon Herbst sein muss. Sie alle haben Heimweh, zu Hause haben sie Frauen zurückgelassen, die sich um sie sorgen. Der 18-jährige Christoph Rilke unterhält sich mit seinem französischen Kameraden. Es ist ein Marquis, der anfangs voller Begeisterung war und nun still geworden ist wie die anderen. Rilke spricht ihn auf seine ungewöhnlichen Augen an und fragt, ob er seiner Mutter ähnlich sehe. Der Marquis blüht unter der Aufmerksamkeit auf.

„Reiten, reiten, reiten, durch den Tag, durch die Nacht, durch den Tag. Reiten, reiten, reiten. Und der Mut ist so müde geworden und die Sehnsucht so groß.“ (S. 9)

Ein deutscher Soldat beginnt von seiner Mutter zu sprechen, in langsamen, bedächtigen Sätzen, und die Männer hören ihm gebannt zu, obwohl nicht alle seine Sprache verstehen. Die Truppe ist zusammengesetzt aus Männern aus Frankreich, dem Burgund, Kärnten, den Niederlanden und Böhmen. Die Sehnsucht nach ihren Müttern vereint sie alle. Sie schweigen wieder und hängen ihren Gedanken nach. Am Abend reiten sie weiter. Als der Marquis seinen Helm abnimmt, ist Christoph Rilke gebannt von seinen weichen, dunklen Haaren, die lang sind wie die einer Frau. Sie reiten an einer halb verfallenen Statue vorbei. Rilke wird erst später klar, dass es eine Madonna war.

Am Feuer

Abends sitzen die Soldaten am Wachfeuer und warten darauf, dass jemand ein Lied anstimmt. Alle sind staubig und müde. Der Marquis hat eine kleine Rose dabei, die er küsst und wieder an sein Revers steckt. Selbst in dem schwachen Licht leuchten seine Augen. Rilke sieht ihm zu, er kann nicht schlafen. Er selbst hat keine Rose. Rilke singt ein trauriges Lied, das er zu Hause gelernt hat und das bei der Ernte gesungen wird. Der Marquis fragt ihn nach seinem Alter. Rilke antwortet, er sei 18. Später möchte der Marquis wissen, ob er daheim ein Mädchen hat. Statt zu antworten, stellt Rilke ihm die gleiche Frage. Der Marquis erzählt ihm, seine Braut sei blond, genau wie Rilke.

„Wachtfeuer. Man sitzt rundumher und wartet. Wartet, daß einer singt. Aber man ist so müd. Das rote Licht ist schwer. Es liegt auf den staubigen Schuhn.“ (S. 14)

Es ist still, bis der Deutsche in die Runde fragt, was sie hier eigentlich machen, warum sie gegen die Türken kämpfen. Der Marquis sagt ihm, sie seien hier, um zurückzukehren. Rilke erinnert sich an seine Heimat und an die wilden Spiele, die er mit einem blonden Mädchen gespielt hat. Sie hieß Magdalena und er möchte nur für einen Augenblick wieder dort sein, um mit ihr zu sprechen. Er möchte ihr erklären, warum er sich damals so verhalten hat, und sich bei ihr entschuldigen.

Das Heer

Dann taucht das Heer vor ihnen auf, zuerst nur einzelne Reiter, dann die ganze Masse. Die Gruppe trennt sich, damit die Soldaten zu ihren Kompagnien kommen. Rilke verabschiedet sich vom Marquis und wünscht ihm eine glückliche Heimkehr. Sie sind Freunde geworden in den letzten Tagen und stehen sich nah wie Brüder. Für den Abschied bleibt wenig Zeit. Der Marquis bricht ein Blatt von seiner Rose ab und schenkt es Rilke als Glücksbringer. Dann reitet er fort und Rilke sieht ihm lange nach. Er steckt das Rosenblatt ein und fühlt es in der Nähe seines Herzens.

„Sagt der kleine Marquis: ‚Ihr seid sehr jung, Herr?‘ Und der von Langenau, in Trauer halb und halb in Trotz: ‚Achtzehn.‘ Dann schweigen sie.“ (S. 15)

Er reitet durch den Tross, vorbei an raufenden Soldaten, gepanzerten Knechten und winkenden Dirnen. Er sieht, wie die Knechte nach den Frauen greifen und ihnen die Kleider zerreißen. Die Trommeln schlagen ohne Unterlass. Abends reicht ihm jemand einen Becher Wein, der aussieht wie Blut.

Eine große Ehre

Rilke meldet sich bei General Spork. Der junge Soldat steigt vom Pferd und verbeugt sich, bevor er sein Empfehlungsschreiben präsentiert. Spork lässt es vorlesen. Er ist ein harter Mann, der viel flucht und dem man ansieht, dass er zu großer Gewalt fähig ist. Spork ernennt Rilke zum Cornet, zum Fahnenträger. Es ist eine große Ehre für den jungen Mann.

„Einmal, am Morgen, ist ein Reiter da, und dann ein zweiter, vier, zehn. Ganz in Eisen, groß. Dann tausend dahinter: Das Heer.“ (S. 16)

Rilkes neue Kompagnie liegt in der Nähe des Flusses Raab. Als er über die weite Ebene dorthin reitet, ist der Mond bereits aufgegangen. Er träumt, doch wird er aus seinen Gedanken gerissen, als er einen Schrei hört. An einem vereinzelten Baum ist eine Frau gefesselt, nackt und blutig, und sie schreit ihn an, er solle sie losbinden. Rilke steigt ab und befreit sie. Ihm ist, als würde sie lachen, und er bekommt Angst. Er sitzt auf und reitet los, während er das Seil, mit dem die Frau gefesselt war, noch in der Hand hält.

„Und Abends halten sie ihm Laternen her, seltsame: Wein, leuchtend in eisernen Hauben. Wein? Oder Blut? – Wer kanns unterscheiden?“ (S. 17)

Rilke schreibt seiner Mutter, tief in Gedanken versunken und konzentriert. Sie soll unbesorgt und stolz auf ihn sein, weil er zum Fahnenträger ernannt wurde. Er steckt den Brief in seinen Mantel, gleich neben das Rosenblatt, das er von dem Marquis geschenkt bekommen hat. Vielleicht wird der Brief den Duft der Rose annehmen. Er denkt darüber nach, dass vielleicht eines Tages jemand den Brief finden wird. Der Feind ist ganz in der Nähe, sie werden bald kämpfen müssen.

Das Fest

Rilke reitet zusammen mit seiner Kompagnie weiter. Unterwegs sehen sie die Leiche eines Bauern mit noch geöffneten Augen. Sie erreichen ein Dorf, hinter dem ein Schloss aufragt. Über eine Brücke kommen sie auf den Hof des Schlosses. Ihre Ankunft wird mit einem Horn angekündigt. Der Burghof hallt wider vom Wiehern der Pferde und vom Bellen der Hunde. Es ist ein gutes Gefühl, sich nicht als Feind etwas zu nehmen, sondern freundlich bewirtet zu werden. Die Soldaten dürfen im Schloss übernachten und sich endlich einmal satt essen, in Sicherheit vor den Feinden. Sie genießen den Urlaub vom Soldatenleben und ruhen sich aus. Die Männer baden und ziehen frische, zivile Kleidung an, tragen ihre Haare offen und erfreuen sich an der Gesellschaft der Damen. Sie hatten vergessen, wie das Lachen von Frauen klingt und wie ihre Hände aussehen, und müssen den Umgang mit ihnen wieder ganz neu lernen.

„Da sagt Spork, der große General: ‚Cornet.‘ Und das ist viel.“ (S. 18)

Den Männern zu Ehren wird ein Festmahl gehalten, das in ein rauschendes Fest übergeht. Musik erklingt und die Gäste beginnen zu tanzen. Die Soldaten lassen sich von der Musik und der glanzvollen Atmosphäre mitreißen. Es wird viel Wein getrunken und die Nacht fliegt wie im Traum vorbei. Rilke steht am Rand des Geschehens und staunt über das Bild, das sich ihm bietet. Er ist sich nicht sicher, ob er vielleicht träumt, und wartet darauf, aufzuwachen. Bisher hat er solche Pracht nie selbst gesehen, solche schönen Frauen mit feinen Gesten und hellen Stimmen. Er wünscht sich, eines Tages ihrer würdig zu sein, sich Ruhm zu verdienen, um eine solche Frau gewinnen zu können.

Begegnung im Dunkeln

Rilke, ganz in weiße Seide gekleidet, beobachtet weiter das Geschehen. Ihm wird bewusst, dass er nicht schläft, dass all dies wirklich geschieht. Überwältigt von den Eindrücken, flieht er in den Garten. Im dunklen Park ist es kühler und still.

„Meine gute Mutter, / seid stolz: Ich trage die Fahne, / seid ohne Sorge; Ich trage die Fahne, / habt mich lieb: Ich trage die Fahne –“ (S. 21)

Rilke begegnet einer Frau, die er fragt, ob sie die Nacht sei. Sie lächelt ihn an und er wünscht sich, er würde seine Waffen tragen. Die Frau erklärt ihm, dass seine weiße Kleidung ihn zu ihrem Pagen mache, und fragt, ob er sich nach seinem Waffenrock sehne und ob er Heimweh habe. Sie ist die Gräfin des Schlosses. Als sie ihn anlächelt, spürt Rilke, wie das Kindsein von ihm abfällt. Er fühlt eine Veränderung in sich vorgehen.

„Auch der Mut muß einmal sich strecken und sich am Saume seidener Decken in sich selber überschlagen. Nicht immer Soldat sein.“ (S. 23)

Das Fest geht zu Ende und die Lichter werden gelöscht. Die Gäste fallen betrunken, müde oder verliebt in ihre Betten. Nach der langen Zeit, die sie auf der Erde schlafen mussten, sind die breiten, bequemen Betten im Schloss ein wahrer Luxus. Die Furchen, in denen sie unterwegs schlafen, fühlen sich dagegen an wie Gräber. Die Soldaten beten kurz an diesem Abend, aber innig.

Die letzte Nacht

Rilke und seine Gefährtin machen sich im Dunkeln auf den Weg in die Turmstube. Sie drängen sich schnell ins Zimmer wie ängstliche Kinder, doch sie haben keine Angst, die Nacht zusammen zu verbringen. Der Krieg hat das Gestern und das Morgen bedeutungslos gemacht. Sie sprechen nicht darüber, dass die Gräfin verheiratet ist, und die Gräfin fragt nicht nach Rilkes Namen. Was zwischen ihnen geschieht, ist neu und anders. Sie geben sich in der Stille neue Namen.

„Aus dunklem Wein und tausend Rosen rinnt die Stunde rauschend in den Traum der Nacht. Und Einer steht und staunt in diese Pracht. Und er ist so geartet, daß er wartet, ob er erwacht.“ (S. 24 f.)

Rilkes Waffenrock hängt draußen im Saal über einem Sessel, zusammen mit seinen Waffen und seinem Mantel. Daneben lehnt die Fahne am Fensterkreuz, seine Handschuhe liegen auf dem Boden. Ein Sturm kommt auf und es blitzt. Im Schloss herrscht Unruhe, als ob der Sturm ins Haus gekommen wäre. Türen schlagen und Menschen laufen umher. Rilke und seine Geliebte kümmert das nicht. Sie schlafen im Turmzimmer, weitab vom Geschehen.

Das Feuer

Man könnte denken, die Sonne gehe auf, doch das stimmt nicht. Die Geräusche, die im Schloss zu hören sind, sind kein Vogelgesang. Es ist hell, aber es ist noch Nacht. Die Balken stehen in Flammen und die Fenster klirren durch die Hitze. Schreie und Rufe werden laut. Das Schloss brennt.

„Da ist nichts, was gegen sie wäre: kein Gestern, kein Morgen; denn die Zeit ist eingestürzt. Und sie blühen aus ihren Trümmern.“ (S. 29)

Die müden Gäste werden aus dem Schlaf gerissen und fliehen ins Freie. Sie drängen sich auf den Fluren und ziehen sich hastig ihre Waffenröcke an. Die Soldaten sammeln sich im Hof, wo sie von den Trommeln zusammengerufen werden. Die Fahne ist nirgends zu sehen. Man ruft nach dem Cornet, während die verängstigten Pferde wiehern und die Menschen beten und schreien. Dann reitet die Kompagnie los, ohne ihren Fahnenträger.

Die brennende Fahne

Rilke hastet durch die brennenden Gänge des Schlosses. Die Türen glühen und die Treppen stehen in Flammen. Mit der Fahne in den Armen läuft Rilke endlich ins Freie. Er findet ein Pferd und rast seiner Kompagnie hinterher, an den anderen Soldaten vorbei, bis er mit wehender Flagge vor ihnen her reiten kann. Seine Kameraden beobachten noch, wie Rilke in die feindlichen Linien einbricht. Seine Fahne beginnt zu brennen und die Feinde nehmen die Verfolgung auf.

„Draußen jagt ein Sturm über den Himmel hin und macht Stücke aus der Nacht, weiße und schwarze. Der Mondschein geht wie ein langer Blitz vorbei, und die reglose Fahne hat unruhige Schatten. Sie träumt.“ (S. 30)

Rilke findet sich ganz allein mitten im feindlichen Heer wieder. Um ihn herum machen die Angreifer Platz, während seine Fahne langsam von den Flammen verzehrt wird. Rilke schaut sich um und sieht zunächst nur das Bunte und Fremdartige um ihn herum. Es erinnert ihn an Gärten. Dann wird ihm klar, dass er von Feinden umstellt ist. Er greift an und die bunte Masse schließt sich um ihn. Sechzehn Säbel sind auf ihn gerichtet, doch Rilke sieht in ihnen nur die Fontänen eines Brunnens.

Die Nachricht

Cornet Rilkes Brief an seine Mutter und das Rosenblatt verbrennen zusammen mit seinem Waffenrock im Schloss. Einige Monate später erreicht ein berittener Bote im Auftrag des Freiherrn von Pirovano den Ort Langenau, während eine alte Frau weint.

Zum Text

Aufbau und Stil

In nur rund 350 Zeilen entfaltet Rainer Maria Rilke die Geschichte von Christoph Rilke, der kurz nach seiner Ernennung zum Fahnenträger verschollen ist, mutmaßlich fiel er im Kampf. Eingerahmt wird die Erzählung von dem Aktenvermerk über die Erbschaft an Christophs Bruder zu Beginn (der zugleich historisch-objektive Nachprüfbarkeit suggeriert) und der Nachricht an die Mutter am Ende. Die Erzählperspektive ist auktorial und verlässt mitunter die Perspektive der Hauptfigur, um das größere Umfeld einzufangen. In einer früheren Fassung setzte Rilke einen Ich-Erzähler ein, der vom Fund der Dokumente berichtet. Zudem bringt in dieser Fassung die gerettete Gräfin einen gemeinsamen Sohn zur Welt. Rilkes Stil ist bildreich und poetisch, oft knapp und verkürzt, voller Unterbrechungen und Auslassungen. Das Grauen des Krieges und die schönen Momente stehen kontrastierend nebeneinander. Die Szenen leuchten nur kurz auf, eine Technik, die an die impressionistische Malerei erinnert. Der Text ist im Präsens verfasst und zieht den Leser so in die Handlung hinein. Das Werk ist als „Weise“ betitelt und zeigt viele Elemente der Ballade und des Volkslieds; es ist eine Mischform zwischen Epik und Lyrik.

Interpretationsansätze

  • Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke ist die Geschichte eines jungen, empfindsamen Mannes, der mit den Grauen und der Verwüstung des Krieges und zugleich mit ersten Liebeserfahrungen konfrontiert wird. Die Geschichte steht in der Tradition von Kriegserzählungen wie dem Simplicissimus von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen.
  • Der Cornet oder Fahnenträger hat eine besondere Stellung in der Hierarchie der Reiterkompagnie. Er ist kein Anführer, aber dennoch verpflichtet, als Erster dem Feind entgegenzureiten. Sein Schicksal wird enthistorisiert, indem Rilke das innere Werden des Helden anstelle der äußeren Geschehnisse in den Mittelpunkt stellt.
  • Das Werk ästhetisiert die Kriegserfahrung und übernimmt Motive, die schon seit dem bürgerlichen Trauerspiel gängig sind: Die kämpfenden Männer hoffen auf Ruhm und Ehre, um dann nach Hause zu ihren liebenden Frauen zurückkehren zu können.
  • Relgiöse, romantische und erotische Motive gehen ineinander über und vermischen sich mit den Symbolen des Krieges: die Fahne als Zeichen der Vaterlandsliebe und als Phallussymbol; das Rosenblatt, das vom Marquis gebrochen wird, „wie man eine Hostie bricht“, die zugleich mütterliche und erotische Figur der Gräfin, die Madonnenstatue am Wegesrand.
  • Schon der Titel benennt die Gegensätze, die die Handlung durchziehen: Tod und Liebe, der Held und die Frau, Pflicht und Lust.
  • Die Frauenfiguren erhalten ihre Funktion nur als Spiegel und Zeuginnen des männlichen Heldentums, so die Prostituierten im Tross der Soldaten, das vergewaltigte Mädchen, Rilkes Jugendfreundin Magdalena, seine Mutter und schließlich die Gräfin. Die Frauen bleiben blass und eigenschaftslos. 
  • Die feministische Literaturkritik sieht in Christoph Rilke die Personifizierung einer patriarchalisch-militaristischen Grundhaltung. Rilke lässt die Geliebte im brennenden Schloss zurück, um seine Fahne zu retten.

Historischer Hintergrund

Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg

1888 starb Wilhelm I., König von Preußen und Kaiser des Deutschen Reichs. Sein Sohn Friedrich III. blieb nur 99 Tage auf dem Thron, den nach seinem frühen Tod der erst 29-Jährige Wilhelm II. übernahm. Konflikte mit dem Ministerpräsidenten Otto von Bismarck endeten 1890 mit dessen Entlassung. In dieser als „Gründerkrise“ bekannten, wirtschaftlich angespannten Phase wurden zahlreiche Interessenverbände gegründet, die zur Diskriminierung nicht nur politischer Gruppierungen, sondern vermehrt auch zur Ausgrenzung von Juden führten. Ab 1890 sorgten die Wirtschaftssektoren Großchemie, Elektrotechnik und Maschinenbau für einen Aufschwung, der Deutschland den zweiten Platz in Industrie und Welthandel sicherte. Das Leben der Arbeiter verbesserte sich vor allem durch den wachsenden Einfluss der Gewerkschaften.

Wilhelms wechselhafte Politik und sein Wille zu Prestige und Weltmacht führten zur Aufrüstung vor allem der Flotte – ein Schritt, der ihm den Unmut der britischen Krone zuzog. Durch ein Bündnis zwischen Frankreich und Russland wurde Deutschland zusätzlich isoliert. Ein Gefühl der Bedrohung durch die es umgebenden Mächte machte sich breit und gipfelte im Kriegsrat von 1912, in dem General von Moltke zu verstehen gab, dass ein Krieg unvermeidbar sei und der Beginn vorangetrieben werden müsse. Als am 28. Juni 1914 der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo ermordet wurde, war das ein willkommener Anlass, die Pläne in die Tat umzusetzen. Einen Monat später erklärte Österreich-Ungarn Serbien den Krieg, Anfang August folgten die deutschen Kriegserklärungen gegen Frankreich und Russland. Deutsche Truppen marschierten in Belgien ein und provozierten so die Kriegserklärung Englands. Befeuert von der Kriegsbegeisterung weiter Teile der Bevölkerung erfasste der Erste Weltkrieg binnen weniger Tage ganz Europa. In den nächsten vier Jahren verloren rund 17 Millionen Menschen ihr Leben. Nach langwierigen Waffenstillstandsverhandlungen endete der Erste Weltkrieg am 11. November 1918.

Entstehung

Rainer Maria Rilke schrieb den Cornet im Jahr 1899, als er sich in der Villa Waldfrieden in Berlin-Schmargendorf aufhielt. Er nannte das Werk „das unvermutete Geschenk einer einzigen Nacht, einer Herbstnacht, in einem Zuge hingeschrieben bei zwei im Nachtwind wehenden Kerzen“. Sein Stoff ergab sich aus Papieren, die er bei einem genealogisch interessierten Onkel namens Jaroslav Rilke in Prag gefunden hatte. Beide suchten nach Hinweisen auf die adlige Abstammung der Familie. Es ist aber zweifelhaft, ob die historische Figur des Christoph Rilke tatsächlich Rilkes Vorfahr war.

Einfluss auf die Dichtung wird die Lektüre von Jens Peter Jacobsens Roman Frau Marie Grubbe gehabt haben, der ebenfalls im 17. Jahrhundert spielt und mit ähnlichen Motiven arbeitet. Rilke überarbeitete seine erste Fassung von 1899 noch einmal (und widerlegte damit selbst das Bild vom inspirierten Dichter und seiner schöpferischen Herbstnacht) und schenkte das Werk anschließend Stefan Zweig. Zweig war es auch, der den Cornet für die Insel-Bücherei vorschlug.

Wirkungsgeschichte

Der Cornet erschien 1904 in der Zeitschrift Deutsche Arbeit in Prag. In Buchform wurde der Text 1906 im Axel Juncker Verlag herausgegeben. Damit begann eine wechselhafte Publikationsgeschichte. Der Insel Verlag, der schon früh Interesse an Rilkes Werk gezeigt und andere seiner Werke verlegt hatte, kaufte dem Juncker Verlag 1912 die Rechte am Cornet für 400 Mark ab. Die Erzählung wurde zum ersten Band der Insel-Bücherei und erlebte einen rasanten Absatz. Schon im ersten Jahr wurden 22 000 Exemplare verkauft, 1962 erreichte die Auflage 1 Million. Rilke äußerte sich später negativ über sein Jugendwerk und fragte sich, „wieso gerade diese so mangelhafte Leistung in Hunderttausenden von Exemplaren sich verbreiten konnte“. Der Erfolg, meinte er, müsse mit etwas wie dem Jungsein, einer besonderen Bewegung zusammenhängen, die im Werk spürbar ist und die Leser mitnimmt. „So ist es also dieser Cornet, der an meiner Stelle durch die Welt reitet“, sagte er später.

Der Erfolg des Werkes wird mitunter damit erklärt, dass das kleine Büchlein unzählige Soldaten durch die beiden Weltkriege begleitet haben soll. „Ich wurde Rilkes Jünger voll Inbrunst und Andacht; seine Verse wurden mir Evangelium – in ihnen ruhte meine Seele aus“, beschrieb der ehemalige Soldat und Schriftsteller Alfred Hein seine Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg. In den Weltkriegen wurde das junge Sterben für das Vaterland von vielen Soldaten romantisch verklärt. Die Forschung wirft Rilke bis heute vor, sich nicht kritischer mit der Wirkung seines Werks auseinandergesetzt zu haben.

Die lyrische Form des Cornets legen eine Vertonung geradezu nahe, obwohl sich Rilke zunächst entschieden dagegen aussprach. Das Werk wurde mehrfach musikalisch adaptiert, zuerst von Paul von Klenau in Form einer Kantate. Rilkes Schützling Alexander Lernet-Holenia griff Elemente des Cornet in seinen Werken Szene als Einleitung zu einer Totenfeier für Rainer Maria Rilke und Der Baron Bagge auf.

Über den Autor

Rainer Maria Rilke gehört zu den bedeutendsten deutschsprachigen Dichtern. Insbesondere seine Lyrik hat ihn berühmt gemacht. Er wird am 4. Dezember 1875 in Prag geboren, als einziger Sohn des Beamten Josef und der Kaufmannstochter Sophie Rilke. Seine Mutter hat sich immer ein Mädchen gewünscht, und so muss der kleine Rainer Maria diese Rolle übernehmen: Er wird zeitweise als Mädchen erzogen und muss entsprechende Frisuren und Kleider tragen. Nach der Trennung der Eltern im Jahr 1884 schickt ihn der Vater auf die Militärschule, wo der empfindsame Junge unter dem Druck und den Zwängen sehr leidet. Ab 1891 besucht er die Linzer Handelsakademie und schreibt erste Gedichte. 1895 beginnt er ein Studium der Philosophie, Literatur und Kunstgeschichte in Prag, das er später in München und Berlin fortsetzt. Prägend für Rilkes Leben sind die Philosophie Friedrich Nietzsches sowie seine Reisen, die ihn ab 1899 unter anderem nach Russland, Italien, Spanien, Dänemark und in die Schweiz führen. In der Künstlerkolonie Worpswede lernt Rilke die Bildhauerin Clara Westhoff kennen, mit der er 1901 eine Familie gründet. Doch schon ein Jahr nach der Hochzeit und der Geburt der gemeinsamen Tochter zerbricht dieses Familienmodell. Fluchtartig verlässt Rilke Worpswede in Richtung Paris, wo er die folgenden Jahre überwiegend lebt. Die Freundschaft mit dem Bildhauer Auguste Rodin hat einen großen Einfluss auf Rilkes Werk (darunter Neue Gedichte, 1907). Das Leben in der Metropole Paris spiegelt sich in seinem Stunden-Buch (1905) und dem Roman Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge (1910) wider. Ab 1912 erlangt sein 1899 verfasstes Frühwerk Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke große Bekanntheit und hohe Auflagen. Nach dem Ersten Weltkrieg, während dem Rilke hauptsächlich in München lebte, siedelt er 1919 in die Schweiz über. In der Nähe von Siders im Kanton Wallis vollendet er zwei seiner poetischen Meisterwerke: die Duineser Elegien und die Sonette an Orpheus (1923). Nach mehreren Kuraufenthalten stirbt Rilke am 29. Dezember 1926 im Sanatorium von Valmont bei Montreux.

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