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Babbitt

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Babbitt

Manesse,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Immobilienmakler Babbitt jagt nach Geld, Ruhm und – manchmal – auch Moral.


Literatur­klassiker

  • Satire
  • Moderne

Worum es geht

Im Räderwerk der amerikanischen Leistungsgesellschaft

Er ist ein korrupter, rücksichtsloser Emporkömmling, und man möchte nicht einen Tag in seiner Gesellschaft verbringen müssen. Dennoch wächst er einem über gut 750 Seiten ans Herz: George F. Babbitt, Immobilienhändler aus der fiktiven Stadt Zenith im Mittleren Westen der USA, Ehemann, Familienvater, Freund und Nachbar, Mitglied diverser konservativer Clubs, Pseudoliberaler, Egozentriker, Wendehals, Geliebter und Novize in allen Belangen des freigeistigen Lebensstils. Er strebt redlich und unredlich, mal optimistisch, mal frustriert nach Reichtum und Anerkennung, und das ist ganz schön anstrengend, oft deprimierend, häufig skurril und witzig. Sein Erfinder Sinclair Lewis bringt uns diese Gestalt mit entlarvend spitzer Feder nicht als Typus, sondern als Charakter und Menschen nahe. Man versteht aus diesem knapp 100 Jahre alten Roman auch das heutige Amerika, das Räderwerk und die Schmiere der US-Gesellschaft, und somit ist das Buch eine unverhofft aktuelle, unterhaltsame und erhellende Lektüre.

Take-aways

  • Babbitt ist ein Roman über einen amerikanischen Geschäftsmann mit gesellschaftlichen Ambitionen.
  • Inhalt: George F. Babbitt lebt in Zenith, einer mittelgroßen Stadt im Mittleren Westen, und handelt mit Immobilien. Er strebt nach Anerkennung in der Gesellschaft und will ihr doch immer wieder entfliehen. Nach Ausbruchsversuchen in die Natur, in den Liberalismus, in die Arme einer Geliebten und ins Milieu der Möchtegern-Bohemiens kehrt er ernüchtert in den Schoß der Gemeinschaft zurück. Vielleicht gelingt seinem Sohn das Leben besser.
  • Das Buch erschien 1922, spaltete die Kritik und verkaufte sich dennoch bestens.
  • Sinclair Lewis recherchierte akribisch und ging zeitweise in seiner Romanfigur auf.
  • Lewis nimmt der Geschäftswelt ihren Glamour und zeigt sie in all ihrer Mittelmäßigkeit und Korrumpierbarkeit.
  • Mit subtiler, entlarvender Ironie legt er die Funktionsmechanismen der amerikanischen Leistungsgesellschaft offen.
  • Der Held hat Sprachgeschichte geschrieben: Im Amerikanischen ist ein „babbitt“ ein Geschäftsmann, der sich bedingungslos den Mittelschichtstandards anpasst. 
  • 1930 erhielt Lewis den Literaturnobelpreis für seine Kunst der Beschreibung und seine Gabe, mit Witz und Humor neue Charaktere auszugestalten.
  • Zusammen mit den Romanen Main Street (1920) und Arrowsmith (1925) stellt dieser Roman den Höhepunkt von Lewis’ Schaffen dar – nie wieder war er so erfolgreich.
  • Zitat: „Er hieß George F. Babbitt (...) und stellte selbst nichts Nennenswertes her, weder Butter noch Schuhe oder Gedichte, doch war er äußerst geschickt darin, Häuser für weit mehr Geld zu verkaufen, als es sich die Leute eigentlich leisten konnten.“

Zusammenfassung

Ein Tag im Leben des George F. Babbitt

Frühmorgens hascht der Immobilienmakler George F. Babbitt noch einem Feenmädchentraum hinterher und zögert das Aufstehen hinaus. Er, der als Kind so hohe Erwartungen ans Leben gehabt hat, ist kaum noch neugierig auf das, was an diesem Tag auf ihn zukommen mag. Er hat ein rosiges Babyface, wirkt „unromantisch und verheiratet“ und setzt im Aufstehen das Gesicht des Geschäftsmannes auf. Vom Biertrinken beim Poker mit dem Kohlemagnaten Vergil Gunch ist er verkatert, die Morgentoilette und das Ankleiden stürzen ihn in eine Krise. Er legt die Hülle des rechtschaffenen Bürgers an und steckt sich die Abzeichen der Elchzahn-Bruderschaft und des Boosters’ Club ans Revers. Babbitt schätzt Baseball und die republikanische Partei, und seine einzigen modischen Extravaganzen sind ein auffälliger Schal und seine randlose Brille mit Goldbügeln, die ihn erst so recht zum modernen Geschäftsmann macht. Seine Beziehung zur langmütigen, matronenhaften Myra, Mutter seiner Kinder Verona, Theodore Roosevelt und Tinka, ist von Überdruss und Gleichgültigkeit geprägt. Am Frühstückstisch gibt es Streit. Babbitt sorgt sich um Verona, die sozialistische Neigungen entwickelt und sich zu philanthropischem Hokuspokus hingezogen fühlt. Sein Credo lautet dagegen: Produzieren, produzieren, produzieren!

Babbitt bei der Arbeit

In der Auffahrt plaudert er mit seinem Nachbarn Howard Littlefield, einem erfolgreichen PR-Chef und Babbitts intellektuellem Vorbild, übers Wetter und die Präsidentenwahl. Sie kommen überein, dass die Zeit reif wäre für eine Regierung aus reinen Geschäftsleuten. Diese Meinung testet Babbitt unterwegs gleich mal an einem Tankwart und einem Passanten aus, und je nach Reaktion seines Gegenübers passt er sie entsprechend an. Er erfreut sich an der Schönheit Zeniths mit seinen modernen Gebäuden, die nach und nach die skurrilen und altmodischen Holzbauten ersetzen, und meistert bravourös die Heldentat des Einparkens. Die Servicemitarbeiter im Bürohaus, seinem „Tempelschrein für die Religion des Geschäftemachens“, nennt er insgeheim Dorfbewohner, denen gegenüber er sich als Gutsherr fühlt. Zugleich empfindet er in der „Grabkammer“ des Büros eine von Einsamkeit kaum zu trennende Sehnsucht. Könnte vielleicht die Sekretärin Miss McGoun das Feenmädchen sein? Er überlegt sich Werbebotschaften und macht selbst aus dem richtigen Friedhof noch ein Argument für eine Immobilie. Nebenbei erdenkt er eine todsichere Methode, um mit dem Rauchen aufzuhören, so wie er das schon lange jeden Monat aufs Neue tut.

Redlicher Bürger, treuer Freund, profitgieriger Wendehals

Babbitt versteht die Rolle des Maklers als die eines Propheten, Pioniers und Visionärs. Dabei ist ihm vollkommen gleichgültig, wie die sozialen Verhältnisse rund um seine Häuser, also die Sicherheit und Lebensqualität seiner Klienten aussehen. Er sieht sich als vorbildlichen Bürger und ahnt doch, dass einige seiner Geschäftsmethoden unmoralisch und betrügerisch sind. Zugleich fuchst es ihn ungemein, dass nach einem Deal, bei dem ein Kunde über den Tisch gezogen wird, für ihn nur eine Provision herausspringt, während sein Geschäftspartner über 9000 Dollar Gewinn macht. Während Babbitt ständig von Tugendhaftigkeit redet, fehlt ihm in den entscheidenden Momenten ein klarer moralischer Kompass – immer siegt seine Überzeugung, dass der einzige Sinn und Zweck des Makelns darin besteht, dass es für ihn eine feine Stange Geld abwirft. Entsprechend wenig kann Babbitt mit Arbeiterrechten und Gewerkschaften anfangen, und den „radikalen Anwalt und notorischen Miesmacher“ Seneca Doane beäugt er mit Argwohn. Doane ist als Sozialist verrufen und kritisiert die Standardisierung der Gedanken im amerikanischen Alltag.

„Zeniths Türme strebten über den Morgennebel auf; nüchterne Türme aus Stahl, Sandstein und Zement, robust wie Felsen, doch schlank wie Silbernadeln, weder Zitadellen noch Kirchen, sondern solide, schöne Bürogebäude.“ (S. 7)

Zu Mittag trifft Babbitt Paul Riesling, seinen einzig wahren Vertrauten, den er aufrichtig liebt. Paul, ein musikalischer Mensch, der beruflich Dachpappe vertreibt, ist unglücklich in seiner Ehe mit der zänkischen Zilla. Er leidet unter dem weitverbreiteten Konkurrenzverhalten, das nur die Stärksten durchkommen lässt, und wirft Babbitt vor, dass dessen Moralbegriff über Monogamie nicht hinausreiche. Babbitt beschleicht eine Ahnung, dass seine Existenz aus viel heißer Luft besteht, er verdrängt den Gedanken zwar schnell wieder, aber eine unzufriedene Grundstimmung bleibt. Um dem eigenen Verdruss zu entfliehen, schmieden Paul und Babbitt den Plan, ein paar Tage allein, wie echte Jungs, in Maine zu verbringen: angeln, herumlungern, fluchen und rauchen. Nicht mehr und nicht weniger als die Suche nach dem Glück. Zu Hause, in seinem standardisierten Haus, dem die Behaglichkeit eines wahren Heims abgeht, findet Babbitt es nicht. Er verbringt die Abende mit den Comicstrips der Zeitung und Diskussionen mit seinem Sohn, der Anwalt werden soll, sich aber mehr für Fernunterricht in Boxen interessiert. Man debattiert, ob Shakespeare oder Business-Englisch dem Fortkommen förderlicher sei, und Babbitt preist den Vorzug eines – jedweden – Abschlusses, mit dem man bei gesellschaftlichen Anlässen prahlen kann. 

Die Babbitts auf dem gesellschaftlichen Parkett

Ein solcher Anlass ist ein Dinner im Hause Babbitt, das die Familie über Wochen hinweg auf Trab hält. Allein die Gästeliste: Sie muss eine strategische Balance halten zwischen dem vertrauten Bekanntenkreis und den eigenen gesellschaftlichen Aspirationen, zwischen altem und neuem Geld, zwischen mehr und weniger angesehenen Berufen. Babbitt wagt sich zur Beschaffung von gutem Gin in eine schummrige Gegend von Zenith und stürzt sich in Unkosten. Diese Heldentat weiß seine Frau nicht zu schätzen, deren größte Sorge ist, dass er vergisst, das Eis in der angesagtesten Konfiserie von Zenith abzuholen. Bei alkoholischen Drinks diskutieren die Gäste darüber, dass die Prohibition einen brutalen Eingriff in die persönliche Freiheit darstelle. Der Abend mündet in eine spiritistische Anrufung des Dichters Dante. Leider verlässt ein neidvoll umworbenes Ehepaar die Party viel zu früh, ohne eine Gegeneinladung auszusprechen, was Babbitts latente Midlife-Crisis befeuert.

„Er hieß George F. Babbitt (…) und stellte selbst nichts Nennenswertes her, weder Butter noch Schuhe oder Gedichte, doch war er äußerst geschickt darin, Häuser für weit mehr Geld zu verkaufen, als es sich die Leute eigentlich leisten konnten.“ (S. 9)

Zumindest sind die Tage mit Paul in Maine ein Erfolg, und Babbitt kehrt voll guter Vorsätze für ein neues Leben nach Hause zurück. Doch alle Vorhaben lösen sich bald in Luft auf; auch scheinen seine Zeitgenossen gar nicht wahrzunehmen, dass ein gänzlich neuer Babbitt vor ihnen steht, und so ist bald alles wieder beim Alten.

Babbitt in der Politik

Babbitt erhält die Chance, eine Rede vor der Dachorganisation der Immobilienmakler zu halten. Er benimmt sich zu Hause tagelang wie ein großer Schriftsteller. Seiner Nervosität zum Trotz verdient er sich die Anerkennung seiner Zunft – um zum Abschluss des Maklerkongresses als Clown in einer Zirkusparade des Stadtmarketings von Zenith aufzutreten. Im Herbst 1921 tritt Seneca Doane mit einem Arbeiterprogramm gegen den gemeinsamen Bürgermeisterkandidaten von Demokraten und Republikanern an. Babbitt rührt die Wahlkampftrommel für Letzteren (er propagiert „ehrliche Arbeit“ gegen Doanes „wehleidiges Faulenzertum“) und wird darüber unverhofft zum gefragten Redner in allerlei gesellschaftlichen Kreisen Zeniths. Auch beruflich zahlt sich dieser Einsatz aus: Man informiert ihn künftig vorab über den Ausbau asphaltierter Straßen.

„Das Büro war sein Piratenschiff, das Auto aber der gefährliche Landgang.“ (über Babbitt, S. 50)

Babbitt wird ein wahrer Booster in Sachen Stadtentwicklung und kommt den diskreten und im Verborgenen wirkenden Zirkeln der Macht so nah wie nie zuvor. Es ist das „kleine, stille, nüchterne, höfliche und grausame Zenith“, die wahre Business-Aristokratie der Stadt, das eine Prozent, für den der Rest der Gesellschaft arbeitet. Babbitt wähnt sich im Aufstieg begriffen. Als die Straßenbahngesellschaft expandieren will, streicht er dank seiner Optionsrechte eine hübsche Summe ein – und auch alle anderen am Deal Beteiligten stoßen sich gesund. Schließlich wählt man Babbitt zum Vizepräsidenten des Boosters’ Club. Doch als er daheim Myra von seinem Triumph erzählen will, überrascht diese ihn mit der Nachricht, dass Paul im Streit seine Frau angeschossen hat. Um Zutritt zum inhaftierten Paul zu bekommen, lässt Babbitt seine Beziehungen zum neuen Bürgermeister spielen. Paul ist resigniert und erklärt sich selbst schuldig, während Babbitt für seinen Freund sogar einen Meineid ablegen würde. Zilla überlebt, am Ende erhält Paul drei Jahre Haft, und für Babbitt scheint ein Leben ohne seinen Freund vollkommen sinnlos zu sein. Er glaubt nicht mehr an das Gute in der Welt, und Erfolg ist ihm plötzlich egal.

Babbitt gerät ins Schleudern

In seiner fatalistischen Stimmung erinnert er sich wieder des Feenmädchentraums, seiner uralten Hoffnung, dass es irgendwo die richtige Frau für ihn geben muss, eine, die ihn versteht und achtet und ihn schlichtweg glücklich macht. Er versucht ein Techtelmechtel mit einer Kosmetikerin und wiederholt schließlich allein, ohne Paul, die Reise nach Maine. Wie ein echter Kerl will er durch die Wildnis wandern, doch sein Bergführer ist träge und verweichlicht und wünscht sich eigentlich nichts mehr, als endlich all dieser Naturromantik zu entkommen. Am Ende des Trips empfindet Babbitt absolute Verlassenheit. Zurück in Zenith muss er erkennen, dass seine Gesinnungsgenossen während eines Arbeiterstreiks am liebsten Gewalt provoziert hätten, um im Nachgang die Gewerkschaften ein für alle Mal zu zerschlagen. Babbitt, der sich mit ein paar liberalen Aussagen exponiert hat, erregt den Argwohn seiner Club- und Geschäftskollegen.

„Und finden Sie nicht auch, es wäre mal an der Zeit, dass wir eine Regierung aus reinen Geschäftsleuten bekommen?“ (Babbitt zu Littlefield, S. 56)

Babbitt beginnt eine Affäre mit der jungen Witwe Tanis Judique, einer Klientin. In ihren vier Wänden, die nicht so steril sind wie Babbitts eigenes, rundum genormtes Standardhaus, kann er loslassen. In Tanis’ Gegenwart findet er Erfüllung und Erlösung, und sie reden in einer Offenheit und Ruhe, die er schon lange nicht mehr kennt. Doch die häusliche Idylle währt nicht lange, denn Tanis stellt ihn ihrer Clique vor, einer Gruppe von Möchtegern-Bohemiens, die ständig einen draufmachen und allnächtlich feucht-fröhliche Partys feiern. In ihrer Gesellschaft schlägt Babbitt beim Alkohol derart über die Stränge, dass ihm irgendwann sogar ein Mitglied der Clique Mäßigung empfiehlt. Das Leben im Dauerrausch ist anstrengend, die Rebellion dagegen ernüchternd, und bald erkennt Babbitt, dass in diesen Kreisen dasselbe Hauen und Stechen, Neiden und Belauern vorherrscht, nur in anderem Gewand. Während ihm zunächst in seinem Liebeswahn alles egal war, bangt er nun um sein Ansehen und seine berufliche Zukunft, denn auch seinen Clubfreunden bleibt sein neuer Umgang und sein zügelloses Verhalten nicht verborgen –bloß Myra weiß nichts, da sie für längere Zeit zu ihrer Schwester gefahren ist. Vorgeblich, weil diese krank sei, doch in Wahrheit, um dem Unglück ihrer Ehe für einige Zeit zu entfliehen.

Der verlorene Sohn kehrt zurück

Vergil Gunch lädt Babbitt ein, der frisch gegründeten „Liga der anständigen Bürger“ beizutreten. Diese Organisation hat sich zum Ziel gesetzt, alle umstürzlerischen Tendenzen auszumerzen und die herrschende Ordnung aufrechtzuerhalten – Babbitt distanziert sich instinktiv und nimmt sogar den als Sozialisten verrufenen Seneca Doane in Schutz. Seine Freunde reagieren mit Unverständnis, und sein Ruf nimmt weiter Schaden. Bald gibt es einen zweiten Anwerbeversuch, für den die Liga gleich drei distinguierte Mitglieder aufbietet, die in Babbitts Büro sehr resolut auftreten. Er ist eingeschüchtert, doch in seinem Innern rebelliert alles gegen einen Beitritt, den er als Kapitulation empfinden würde. Er widersteht und bekommt die Konsequenzen schnell am eigenen Leib zu spüren: Man meidet ihn, und das nächste große Grundstücksgeschäft der Straßenbahngesellschaft wird über einen anderen Makler abgewickelt. Seine bewährte und vertraute Sekretärin heuert bei der Konkurrenz an. Myra, die sich sehr darum sorgt, was die Leute sagen, bemerkt die hohen Lebenshaltungskosten während der Wochen ihrer Abwesenheit, sie wird misstrauisch und für ihre Verhältnisse geradezu renitent. Zugleich versucht Tanis, Babbitt zurückzugewinnen. So viele offene Fronten kann Babbitt kaum aushalten.

„Und dennoch war Babbitt ein tugendhafter Mensch. Er befürwortete die Prohibition, auch wenn er sich selbst nicht daran hielt, lobte die Gesetze gegen Geschwindigkeitsübertretung, auch wenn er selbst immer wieder dagegen verstieß (…)“ (S. 92)

Die Situation klärt sich abrupt, als Myra aufgrund einer akuten Blinddarmentzündung operiert werden muss. Babbitt verbringt eine Nacht wachend an ihrem Bett, und die Aussicht, sie zu verlieren, bringt ihn zu sich. Myra überlebt, und während der 17 Tage an ihrem Krankenhausbett führen die beiden lange Gespräche, die sie wieder zueinander führen. Babbitt nimmt Vergil Gunchs Einladung in die Liga der anständigen Bürger endlich an und kehrt zur Konformität zurück, wird wieder in die Gemeinschaft seiner Nachbarn und Handelspartner aufgenommen, und wie von Zauberhand lösen sich alle geschäftlichen Blockaden. Die Liga triumphiert landesweit, doch kaum irgendwo so sehr wie in Zenith, und Babbitt ist an all ihren Aktivitäten und Erfolgen maßgeblich beteiligt. Verona heiratet einen Sozialisten. Eines Morgens finden die Babbitts ihren Sohn Ted zusammen mit der Nachbarstochter im Bett. Die beiden haben heimlich geheiratet. Inmitten dieses Skandals zieht sich Babbitt mit seinem Sohn zurück. Er gibt ihm seinen Segen: Ted muss nicht Jura studieren, er darf  Maschinenbauer werden und leben, wie er will. Und so erfüllt sich für Babbitt – der nie gemacht hat, was er wirklich wollte, und im Gefühl lebt, nichts zustande gebracht zu haben – in seinem Sohn doch noch der Traum von einem selbstbestimmten Leben.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die ersten sieben Kapitel des 34 Kapitel umfassenden Romans bilden einen Tag im Leben des George Babbitt ab. Knapp ein Viertel des Romans besteht also darin, seine Routinen und sozialen Beziehungen, die Alltagsobjekte und Statussymbole seiner Welt vorzustellen. Dann beginnt die eigentliche, allerdings recht überschaubare Handlung. Der Roman reiht Ereignisse über einen Zeitraum von zwei Jahren in strikt chronologischer Folge aneinander. Eine Dinnerparty wird über 50 Seiten hinweg geschildert. Erst auf Seite 496 passiert etwas Dramatisches, als Paul Riesling auf seine Frau schießt. Lewis schreibt mit subtiler, entlarvender Ironie und legt wie ein Chirurg die Funktionsmechanismen der amerikanischen Leistungsgesellschaft offen. Seine Botschaft transportiert der Autor über spritzige Dialoge und die Schilderung sozialer Interaktion. Der Erzähler ist allwissend, er kommentiert und bewertet immer wieder Babbitts (un)moralisches Verhalten. Meist blickt er dem Titelhelden über die Schulter und nähert sich nur selten anderen Figuren. Der Text ist flüssig und vergnüglich zu lesen und bildet die Alltagssprache und den Männerjargon des kulturscheuen Babbitt ab. Lewis arbeitet gekonnt mit Spiegelungen, die Babbitt wechselweise in der Position von Gönner und Bittsteller zeigen, und die Widersprüchlichkeit seines Verhaltens erschließt sich dem Leser ohne weitere Erklärungen aus seinen Handlungen.

Interpretationsansätze

  • Lewis kratzt den Glanz von der Welt der Geschäftsleute. Er entlarvt Gier und leere Versprechungen hinter dem American Dream und zeigt die Akteure in all ihrem Mittelmaß, ihrer Korrumpierbarkeit und Konformität. Genau in ihrer selbstgefälligen Angepasstheit liegt aber auch ihre Macht als wirtschaftliches Rückgrat Amerikas.
  • Deutlich tritt der tief verwurzelte Anti-Sozialismus und Antiliberalismus hervor, der nach dem Zweiten Weltkrieg unter Senator McCarthy paranoide Züge annahm. Jede liberale Tendenz wird argwöhnisch beobachtet und sogleich abgestraft. So hat etwa Babbitts Kontakt mit dem Sozialisten Seneca Doane negative Folgen für ihn. Sinclair Lewis selbst hat als junger Mann für den Autor und Sozialisten Jack London gearbeitet.
  • Lange vor dem Soziologen Pierre Bourdieu beschreibt Lewis die feinen gesellschaftlichen Unterschiede. Babbitt bewegt sich in einem Netz gesellschaftlicher Zwänge und wird von seinen sozialen Ambitionen zugleich verunsichert, befeuert und aufgefressen. Immer geht es darum, nach oben zu buckeln und nach unten zu treten. Babbitt lässt keine Gelegenheit aus, nicht nur Dollars, sondern auch soziales Kapital anzuhäufen, und das Konkurrenzdenken der Leistungsgesellschaft durchdringt alles.
  • Lewis porträtiert mit Zenith eine typische amerikanische Stadt mittlerer Größe, die in ihrer Standardisierung und Geschichtslosigkeit komplett austauschbar ist – anders als etwa europäische Städte, die Lewis kannte, wie München oder Florenz. Diesen Kosmos, die Lebenswelt eines Großteils der Amerikaner, setzt er auf die literarische Landkarte des Landes.
  • Der Roman hat satirische Züge, ist aber vor allem eine Charakterstudie. Lewis schafft mit Babbitt keinen Typus, sondern eine Person voller Widersprüche und Unzulänglichkeiten, verstrickt in die Wirren und Tücken ihres Alltags, tragisch unglücklich in all ihrer selbstgefälligen Rücksichtslosigkeit. 

Historischer Hintergrund

Die Roaring Twenties in den USA

Seit der Eroberung des Wilden Westens gehörte „Boosterism“ zur US-Kultur: Die Bewohner neuer Siedlungen lobten diese über den grünen Klee und sagten traumhafte Entwicklungen voraus, um weitere Siedler anzulocken und ihnen das zuvor eroberte Land meistbietend zu verkaufen. Später verstand man darunter die Vermarktung einer Stadt in jeder Hinsicht: von Lobreden auf Partys bis hin zu Stadtmarketingbüros und energischer Immobilienentwicklung. Wachstum behielt seinen zentralen Stellenwert auch im 20. Jahrhundert, als Präsident Woodrow Wilson 1916 seine Wiederwahl mit dem Slogan „Er hat uns aus dem Krieg rausgehalten“ schaffte. Kurz darauf, im Frühjahr 1917, führte am Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg nichts mehr vorbei, und der Einsatz von rund 2,8 Millionen Männern im Krieg galt als Wahrung amerikanischer Wirtschafts- und Handelsinteressen.

Als Antwort auf gesellschaftliche Probleme wie Alkoholismus, häusliche Gewalt und politische Korruption erreichten pietistische Kräfte 1920 ein Verbot der Produktion von und des Handels mit Alkohol. Die Prohibition spaltete „feuchte“ und „trockene“ Amerikaner. Letztere feierten das Verbot als Sieg für Moral und öffentliche Gesundheit. Die Gegner ignorierten es weitgehend. Man stockte schnell noch einmal die Vorräte auf – so auch die Präsidenten Wilson und Warren G. Harding, die beim Amtswechsel ihre privaten Weinkeller aus dem bzw. ins Weiße Haus umlagern ließen. Medizinischer Alkohol auf Rezept sowie Traubensaft, der zu Wein fermentieren konnte, fanden reißenden Absatz. Al Capone, Boss der Mafia in Chicago, wurde zum Inbegriff des Geschäfts mit illegalem Alkohol. Die Prohibition verhinderte auch nicht, dass sich die 20er-Jahre zu einem stürmischen Jahrzehnt entwickelten. Es war das Zeitalter des Jazz, des Art déco und des Frauenwahlrechts. In den USA prägten Damen mit kurzen Röcken und Bobfrisur, mit einem freizügigen Lebensstil und einer libertären Einstellung den modernen Typus der „Flapper“. Mit dem Börsencrash 1929 endete die wilde Zeit und stürzte Amerika in die Große Depression.

Entstehung

Der Bestseller Main Street (1920) machte Sinclair Lewis zu einem berühmten Schriftsteller, den keine Geldsorgen plagten. Für dieses Buch sollte er 1921 zunächst auch den Pulitzerpreis erhalten; der wurde jedoch stattdessen Edith Wharton als erster Frau überhaupt für Zeit der Unschuld zugesprochen. Lewis und Wharton waren Freunde, und er widmete ihr seinen nächsten Roman: Babbitt. Während Lewis in Main Street seinem Heimatort Sauk Centre ein literarisches Denkmal gesetzt hatte, wandte er sich in Babbitt einer Stadt mittlerer Größe mit 200 000 bis 300 000 Einwohnern zu und recherchierte in Cincinatti für das fiktive Zenith.

Lewis hatte beim Romanschreiben ein ausgeklügeltes System und arbeitete akribisch. Er studierte Wirtschaftsmagazine und die Gesellschaftsnachrichten, fertigte mehr als ein Dutzend Karten an, die Zenith sowie Babbitts Haus und dessen Nachbarschaft zeigen, und erfand ausführliche Biografien für seine Charaktere, bis hin zu den Kursen, die Babbitt an der Uni belegt hatte. Lewis war Babbitt – sehr zum Leidwesen seiner Frau Grace. Bevor Lewis von seinem Einkommen als freier Autor leben konnte, war er unter anderem für Buchwerbung zuständig gewesen, kannte also den Jargon des Handelns und Verkaufens aus eigener Anschauung.

Wirkungsgeschichte

Babbitt war von Beginn an ein kontroverses Werk. Die Kritiker waren gespalten: Manche lobten das Buch als Gesellschaftssatire, andere verrissen es eben deshalb. Unmut erweckte der Mangel an Handlung und die als übertrieben empfundene Boshaftigkeit in der Darstellung der Hauptfigur. Mitte der 20er-Jahre formierten sich Wirtschaftsvertreter und Serviceclubs wie die Rotarier gegen Lewis und verteidigten Kaufleute vom Schlage eines Babbitt als tragende Pfeiler der Gesellschaft. Babbitt traf einen Nerv, und egal ob Befürworter oder Gegner, die Leute kauften das Buch wie wild. Babbitt wurde zwei Mal verfilmt, einmal als Stummfilm 1924 und erneut zehn Jahre später. Die Wirkmacht des Romans war derart, dass sein Name in den allgemeinen Sprachgebrauch überging: Ein „babbitt“ ist im Amerikanischen ein Mensch, insbesondere ein Geschäftsmann, der sich ohne nachzudenken den vorherrschenden Standards der Mittelklasse anpasst. Auch Autoren nahmen auf ihn Bezug, so zum Beispiel J. R. R. Tolkien mit seinem Hobbit und John Updike mit seinen Rabbit-Romanen. Tolkien sagte, dass Babbitt dieselbe spießige Selbstgefälligkeit habe wie ein Hobbit.

1930 erhielt Lewis den Literaturnobelpreis. Das Komitee begründete die Wahl mit Lewisʼ Kunst der Beschreibung und seiner Fähigkeit, mit Witz und Humor neue Charaktere auszugestalten – unter denen Babbitt als Prachtexemplar zweifellos hervorsticht.

Über den Autor

Sinclair Lewis wird am 7. Februar 1885 in Sauk Centre, Minnesota geboren. Sein Vater kann mit dem sensiblen, unsportlichen Kind wenig anfangen, die Mutter stirbt, als der Junge sechs ist. Schlaksig, von Akne befallen und ohne Freunde, unternimmt er mit 13 Jahren einen vergeblichen Ausbruchsversuch, um Trommler im spanisch-amerikanischen Krieg zu werden. Nach dem Studium in Yale schlägt er sich mit Schreibjobs durch und veröffentlicht kaum beachtete Romane. Er wird Privatsekretär des Schriftstellers Jack London. Ab 1916 arbeitet er am Roman Main Street, der den Mythos demontiert, das kleinstädtische Amerika sei ein Hort des Guten und Noblen. Der Roman erscheint 1920 und bringt Lewis Ruhm und Reichtum. Mit Babbitt (1922) und Arrowsmith (1925) erreicht er den Höhepunkt seines Schaffens, er kann später nie mehr an diese frühen Erfolge anknüpfen. Lewis heiratet 1914 Grace Heger, 1917 kommt ein Sohn zur Welt, 1925 folgt die Scheidung. Später vermählt er sich 1928 in England mit Dorothy Thompson, Europakorrespondentin der New York Evening Post und ausgewiesene Hitler-Expertin. 1930 wird ein Sohn geboren und Lewis erhält als erster Amerikaner den Literaturnobelpreis. Ende der 30er-Jahre ist er hoffnungslos dem Alkohol verfallen. In den 40ern tourt er mit dem populären Rabbi Lewis Browne durch die USA und diskutiert über Politik und Gesellschaft. Mit Anfang 50 verliebt sich Lewis in die 18-jährige Schauspielaspirantin Marcella Powers und tritt mit ihr – höchst peinlich – in Sommertheatern in New England auf. Die letzten Jahre lebt er überwiegend in Europa, von Alkohol und einer Hauterkrankung geschwächt. Er stirbt am 10. Januar 1951 in Rom.

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