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Die Edda

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Die Edda

Götter- und Heldenlieder der Germanen

Manesse,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
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Was ist drin?

Götter, Helden, Rauf- und Saufbolde: Nirgends wird die altnordische Mythologie farbiger geschildert als in der Edda.


Literatur­klassiker

  • Erzählsammlung
  • Mittelalter

Worum es geht

Kämpfe von Göttern und Helden

Kein anderes Werk beschwört den Kosmos der nordisch-germanischen Mythologie in so plastischen Bildern herauf wie die Edda. Drängen sich in den Götterliedern Odin, Thor und Loki streitlustig und tatendurstig um den Biertisch, so sind es in den Heldengesängen menschliche Figuren wie Sigurd, Brynhild oder Atli, die sich in ein undurchschaubares Schicksal verstricken, immer Täter und Opfer zugleich. Als Siegfried, Brünhild und Etzel kennt man dieses Personal aus dem Nibelungenlied, mit dem die Edda viele Motive teilt. Die Götter sind unsterblich, die Menschen können es werden, wenn Moral und Kampftugend stimmen. Bis heute fasziniert die Liedersammlung mit ihrer archaischen Wucht und ihrem Reichtum an Formen und Inhalten. Lehrgedichte mit stark moralischem Impetus folgen auf Spottverse, dramatisch inszenierte Gefühlsausbrüche finden sich neben balladenhaften Episoden und epischen Kampfbeschreibungen. Auch wenn man sich als heutiger Leser dem Bann dämonischer Kräfte entkommen glaubt – die alten Mythen fühlen sich erstaunlich lebendig an.

Take-aways

  • Die Edda ist eine Sammlung von nordischen Götter- und Heldenliedern, die gegen Ende des 13. Jahrhunderts in Island zusammengestellt wurden.
  • Sie gilt als eine der wichtigsten Quellen der germanischen Mythologie.
  • Inhalt: Während sich tobsüchtige Götter mit arglistigen Riesen zanken, geht es unter den Menschen nicht gesitteter zu: Von Liebe und Familienehre getrieben, bleibt ihnen als Ausweg aus ihrem Unglück meist nur die blutrünstige Rache.
  • Als Edda wird sowohl die vorliegende Liedersammlung bezeichnet (Lieder-Edda) als auch ein Dichterlehrbuch aus der gleichen Zeit (Snorra-Edda).
  • Die Autorschaft der Texte ist ungeklärt. Höchstwahrscheinlich waren mehrere Dichter am Werk, die sich auf mündliche Überlieferungen stützten.
  • Die Entstehung der Edda fällt in eine Phase des Übergangs vom heidnischen zum christlichen Zeitalter.
  • Viele Figuren der eddischen Heldengesänge tauchen auch im Nibelungenlied auf.
  • Eine regelrechte Renaissance feierte die Edda als Quelle von Richard Wagners Ring des Nibelungen.
  • Während der Herrschaft der Nationalsozialisten bekam die Beschäftigung mit der nordisch-germanischen Mythologie geradezu kultischen Charakter.
  • Zitat: „Wir haben uns gut / geschlagen, wir stehn auf / gefallenen Goten, / wie Adler auf Zweigen; / wir haben gewonnen guten Ruhm, / auch wenn wir heut oder morgen sterben – / der Mann erlebt den Abend nicht, / wenn die Norne das Urteil gefällt hat.“

Zusammenfassung

Die Weissagung der Seherin

Einst herrschte Harmonie unter den Menschen. Aber Kriege, Plagen und Sünde sind seit allem Anfang vorherbestimmt. Sie werden schließlich dazu führen, dass sich die Welt selbst auslöscht. Aus den Trümmern der alten wird dann eine neue Welt aufsteigen, deren „Äcker unbesät hochwachsen“.

Spruchdichtung

Mäßigung, Zucht, Mut und Grundanständigkeit gehören zu den wichtigsten Tugenden im Leben. Mäßigung zeugt von innerer Stärke und sorgt z. B. dafür, nicht der Trunksucht zu verfallen. Mut und Selbstdisziplin braucht jeder, der im Kampf erfolgreich bestehen will. Allzu viel Demut dagegen ist schädlich, denn andere drohen einen dann zu übervorteilen. Ehrlichkeit und Anstand sind wertvolle Eigenschaften, aber sie sollten zum eigenen Nutzen eingesetzt werden. Wichtig ist vor allem, dass man hervorragende praktische Eigenschaften in sich vereint; nur dann ist man in der Lage, den Anforderungen des Lebens zu genügen. Misstrauen hilft, sich vor Feinden zu schützen; denn nur wer ihnen mit äußerster Vorsicht begegnet, ist gegen das Verderben gewappnet. Vorsicht muss man auch den Frauen gegenüber walten lassen. Sonst verdrehen sie einem den Kopf, quälen einen nach Weiberart und bringen einen am Schluss noch um die verdiente Liebe. Es lohnt sich, Dinge für sich zu behalten, denn „besser ist, was einer nur weiß“.

Wafthrudnir-Lied

Der Gott Odin stattet unter einem Decknamen dem angeblich allwissenden Riesen Wafthrudnir einen Besuch ab. Dieser wettet seinen Kopf darauf, dass er dem Gast an Kenntnis überlegen sei. Er befragt zuerst Odin, dann stellt Odin den Riesen auf die Probe. Wafthrudnir hält den Fragen des Gottes lange stand, doch dann will Odin wissen, was er, der oberste Gott, dem toten Lichtgott Baldur ins Ohr geflüstert habe – eine Frage, die nur er selbst beantworten kann. Sie kostet Wafthrudnir den Kopf.

Alwis-Lied

Der Zwerg Alwis hat die Absicht, Thors Tochter zu heiraten. Thor aber lehnt ihn als Schwiegersohn ab und verwickelt ihn in ein Frage-und-Antwort-Duell. Zwar kann Alwis sämtliche Fragen Thors richtig beantworten, doch im Eifer des Gefechts bemerkt er nicht, dass die – für ihn tödliche – Sonne aufgegangen ist. Durch diese grausame List Thors wird er zu Stein verwandelt.

Grimnir-Lied

Odins Schützling Geirrod, einer von zwei Söhnen des Königs Hraudung, verrät nach dem Tod des Vaters seinen Bruder Agnar und gelangt so auf den Thron. Odins Frau Frigg zweifelt an Geirrods Charakter, worauf Odin beschließt, diesen zu testen. Er besucht den König unter dem Namen Grimnir („der Maskierte“). Geirrod vermutet in ihm einen bösen Zauberer. Er setzt ihn zwischen zwei Feuer und lässt ihn Hunger und Durst leiden. Nur Geirrods Sohn, der ebenfalls Agnar heißt, erbarmt sich des Gastes. Geirrod hingegen stürzt unglücklich und fällt in sein eigenes Schwert.

Skirnirs Ritt

Der Diener Skirnir wird ausgesandt, um für seinen Herrn Frey die schöne Riesentochter Gerd zu gewinnen. Trotz wertvoller Geschenke blitzen Skirnir und mit ihm auch Frey zunächst bei Gerd ab. Indem er eine Sturzflut wüster Drohungen auf sie niederprasseln lässt, gelingt es Skirnir aber, Gerd umzustimmen und sie zu einem Treffen mit Frey im Wald zu bewegen.

Harbard-Lied

Odin hat die Gestalt eines Fährmanns angenommen. In dieser Verkleidung macht er sich einen Spaß daraus, dem reisenden Thor die Fahrt über den Sund zu verweigern. Er treibt zunächst nur seinen Spott mit ihm, beleidigt ihn aber dann aufs Übelste und bringt ihn so allmählich zur Raserei.

Hymir-Lied

Am Tisch des Riesen Ägir, wo die Götter am Feiern sind, fehlt ein Braukessel, der für alle reicht. Der Riese Hymir soll einen solchen besitzen, und Thor wird dazu bestimmt, ihn ihm abzuluchsen. Er begleitet Hymir auf eine Seefahrt und muss einen Kampf gegen die Midgardschlange bestehen. Wieder zurück, hält er den Kessel tatsächlich in den Händen. Das fröhliche Zechen dauert aber nur so lange, bis Loki beim Göttergelage auftaucht. Indem er auf seine Blutsbrüderschaft mit Odin hinweist, erzwingt der Götterschurke auch gegen den Willen der Anwesenden einen Platz im Kreis der Trinker. Das hindert Loki aber nicht daran, die versammelten Götter zu beschimpfen und sie des Ehebruchs, des Inzests, der Feigheit vor dem Feind und der Beschränktheit zu bezichtigen. Erst als Thor vor Wut den Hammer auspacken will, verschwindet Loki und verwandelt sich in einen Fisch. Dennoch schnappen ihn die erzürnten Götter und lassen Gift über sein Gesicht träufeln. Die Zuckungen Lokis lassen die Erde erbeben.

Thrym-Lied

Loki hilft Thor, seinen vom Riesen Thrym gestohlenen, berühmten Hammer zu finden. Der Riese will als Gegenleistung für die Rückgabe des Hammers die schöne Göttin Freya. Doch diese ist empört. Also sorgt der listige Loki dafür, dass Thor als Freya verkleidet zur Hochzeit mit dem Riesen erscheint. Dann zieht Thor den Hammer hervor und erschlägt aus Rache für den Diebstahl die versammelte Hochzeitsgesellschaft.

Das Lied von Helgi, dem Töter Hundings

Dem äußerst erfolgreichen Kämpfer und Schlachtenlenker Helgi gelingt es mit der Tötung Hundings, seinen Vater zu rächen, anschließend bezwingt er auch noch die Söhne Hundings in der Schlacht und schlägt sich auf Geheiß der Walküre Sigrun erfolgreich mit deren aufgezwungem Bräutigam Hödbrodd. Er gewinnt ihre Liebe, wird aber selbst von Hödbrodds Bruder Dag ermordet. Sigrun begegnet dem toten Helgi auf dem Grabhügel und vereinigt sich mit ihm – was ihren eigenen Tod bedeutet.

Das Lied von Helgi, dem Sohne Hjörwards

Der Sohn Hjörwards mit Namen Helgi hat den Tod seines Großvaters zu rächen und wird dabei von der Walküre Swawa erfolgreich im Kampf gegen die Wasserhexe Hrimgerd unterstützt. Der Liebe zwischen Helgi und Swawa steht Helgis Bruder Hedin im Weg. In einem Anfall von Umnachtung hat dieser geschworen, Swawa für sich zu gewinnen. Als er seinen Irrtum erkennt, ist es für Helgi bereits zu spät. Er weiß, dass er im Zweikampf fallen wird, und bittet Swawa, ihre Liebe dem Bruder zu schenken.

Die Weissagungen Gripirs

Der Fürst Sigurd bittet Gripir, ihm sein Schicksal vorauszusagen. Dieser folgt dem Wunsch mit wachsendem Unwillen, denn er hat Sigurd nichts Gutes zu berichten: Die Prophezeiung kündet von seinem frühen Tod. Als Held und Kämpfer unbesiegbar, wird Sigurd nach zahlreichen Ruhmestaten weiblicher Hinterlist und Rachsucht zum Opfer fallen. Sigurd macht seinem heldenhaften Charakter jedoch alle Ehre und erträgt Gripirs schlimme Weissagungen mit mannhafter Schicksalsergebenheit.

Das Lied von Regin

Sigurd wird von Regin mit einem Wunderschwert bewaffnet. Damit soll er Rache an Fafnir, dem Bruder Regins, nehmen, der diesen, so sieht es Regin, bei der Verteilung eines Goldschatzes übervorteilt hat. Fafnir hat die Gestalt eines Drachen angenommen, um so seinen Schatz besser hüten zu können. Doch trotz der Verwandlung ist er Sigurds Kräften nicht gewachsen und stirbt nach blutigem Kampf. Nachdem der Feind besiegt ist, eilt Regin herbei, um sich am Anblick des toten Bruders zu weiden. Fafnir aber hat kurz vor seinem Ableben Sigurd vor der Tücke seines Bruders gewarnt. Als Sigurd auch noch die Meisen – deren Sprache er nach dem Tod Fafnirs verstehen kann – vor Regin warnen, schlägt er diesem kurzerhand den Kopf ab. Fafnirs Goldschatz nimmt er an sich.

Das Lied von Sigrdrifa

Sigurd trifft in einer Schildburg die schlafende Walküre Sigrdrifa an. Als er ihr den Panzer abnimmt, erwacht sie. Als Dank für seine Rettungstat – Sigrdrifa wurde von Odin eingeschläfert – weist sie ihn in die geheime Kraft der Runen ein und gibt ihm Ratschläge für ein besseres Leben: Sie warnt vor Frauen, Ehebruch und feindlichen Sippen.

Das Sigurd-Lied

Brynhild ist als Gemahlin Sigurds bestimmt. Verwirrung aber stiftet Grimhild, die Sigurd einen Vergessenstrunk einflößt, worauf er deren Tochter Gudrun heiratet. Aus Rache und Gram trachtet Brynhild Sigurd nach dem Leben und hetzt dessen Bruder Gunnar – inzwischen ihr Mann – auf ihn. Als der Betrug auffliegt, ist es zu spät: Sigurd stirbt im Kampf, und Brynhild wird vom Schmerz über den Tod des Geliebten zerrissen.

Brynhilds Fahrt in die Unterwelt

Nachdem sie ihren Gatten Gunnar zum Mord an Sigurd aufgehetzt und dieser wiederum seinen Bruder Gothorm damit beauftragt hat, peinigt Brynhild der Kummer über den Tod ihres Geliebten. Vergeblich versuchen ihre Verwandten sie vom Selbstmord abzuhalten. Brynhild stürzt sich ins Schwert und haucht ihren letzten Atem aus, vorher jedoch sagt sie ihrer Familie künftigen Kummer voraus.

Die Gudrun-Lieder

Gudrun erinnert sich daran, was seit dem Tod ihres Gatten Sigurd vorgefallen ist. Sie streitet mit ihrer Mutter Grimhild, die ihre liebes- und lebensmüde Tochter schließlich dazu zwingt, den Hunnenkönig Atli zu freien. Herkja, eine frühere Geliebte Atlis, bezichtigt ihre Nachfolgerin schon bald des Ehebruchs. Ein Gottesurteil soll die Wahrheit ans Licht bringen: Beide Frauen müssen ihre Hände in ein Bad mit kochendem Wasser tauchen. Nur Herkja verbrüht sich daran und wird zur Strafe im Moor versenkt.

Oddruns Klage

Auch Oddrun, eine der Schwestern Atlis, hat Grund zur Klage, war ihr doch einst Gunnar versprochen, bevor dieser in die Arme Brynhilds geriet. Nach dem Tod Sigurds und Brynhilds finden die beiden schließlich doch noch zusammen. Auf dem Liebeslager allerdings werden sie von den Spionen Atlis ertappt. Gunnar bietet diesem einen ganzen Goldschatz für die Hand seiner Schwester an, aber Atlis Stolz ist größer als seine Gier.

Das Atli-Lied

Die Sigurd-Mörder Gunnar und Högni werden vom Hunnenkönig Atli in eine Falle gelockt und brutal ermordet. Gudruns Rache für den Tod ihrer Brüder folgt jedoch sogleich. Nachdem sie Atli die mit ihm gezeugten Söhne zum Mahl aufgetischt hat, tötet sie den betrunkenen Hunnen mit dem Schwert, setzt dessen Gut in Brand und löscht damit Atlis ganze Sippe aus.

Grönländisches Atli-Lied

Die Damen Glaumwör und Kostbera wollen ihre Gatten Gunnar und Högni von einem Besuch bei Atli abhalten. Die beiden Männer lassen sich jedoch nicht überzeugen. Selbst eindeutige Vorzeichen schlagen sie in den Wind – und werden mit dem Tod bestraft. Daraufhin kommt es zwischen Gudrun und ihrem Gatten Atli zum Streit, an dessen Ende er den Tod findet.

Gudruns Anstiftung

Nach einem misslungenen Selbstmordversuch gelangt Gudrun an den Hof des Königs Jonacker. Von hier aus stiftet sie ihre Söhne Hamdir und Sörli zur Rache an König Jörmunreck an, der ihre Stiefschwester Schwanhild wegen einer Verleumdung zu Tode schleifen ließ. Von ihren schrecklichen Erinnerungen übermannt, bricht Gudrun nach der Abreise ihrer Söhne in Wehklagen aus. Sie denkt an Sigurd und will nur noch sterben.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die Edda ist eine Sammlung von 36 Liedern, unterteilt in 16 Götter- und 20 Heldenlieder. In der Abteilung Götterlieder, auch mythologische Lieder genannt, folgen auf visionäre Verse von Wahrsagern und Seherinnen derbe „Götterschwänke“ und schließlich moralisierende Spruchlieder. Weisen die Götterlieder untereinander nur lose Verbindungen auf, so sind die Heldenlieder aufs Engste miteinander verflochten. Die Figuren entsprechen im Wesentlichen jenen des germanischen Nibelungenlieds. Stilistisch ist die Edda ebenso abwechslungsreich wie in inhaltlicher Hinsicht: Das Spektrum reicht von streng regulierten Stabreimen bis zu freier Prosa. Die Prosateile dienen hauptsächlich als Kitt, um die häufig in loser zeitlicher Abfolge stehenden Lieder aneinanderzubinden oder um größere inhaltliche Lücken zu füllen. Entsprechend wechseln sich Passagen von starker lyrischer Ausdruckskraft mit nüchternen Beschreibungen ab; manche Lieder wiederum sind mit spannenden Dialogen schon fast kleine Dramen. Rhetorische Schnörkel werden sparsam eingesetzt, was zum kunstlosen, urwüchsigen Charakter der Edda beiträgt.

Interpretationsansätze

  • Der Titel „Edda“ wird meist auf das gleichlautende altisländische Wort für Großmutter zurückgeführt. Er könnte in diesem Fall für das Alter und die Weisheit der Texte stehen. Mögliche Ursprünge sind aber auch das Wort „ódr“ (Poesie) oder die südwestisländische Ortschaft Oddi.
  • Anders als in den griechischen und römischen Sagen erheben die unbekannten Dichter der Edda nicht den Anspruch religiöser oder moralischer Überlegenheit. Im Gegenteil: Sie zögern nicht, die Götterkaste mit beißendem Spott zu überziehen. Diese Respektlosigkeit gegenüber den Göttern mag ihren Grund in der Entstehungszeit der Texte haben: Am Übergang zum Christentum scheint man die heidnische Götterwelt nicht mehr allzu ernst genommen zu haben.
  • Aufgrund ihrer sagenhaften Inhalte ist die Edda als historische Quelle ungeeignet. Weil die Autoren zudem noch ganz in der Tradition einer unpersönlichen Überlieferung stehen, lassen ihre Texte auch kaum Rückschlüsse auf ihre Lebensumstände zu. Allerdings bietet die Edda bestes Anschauungsmaterial zu den moralischen Prinzipien des 13. Jahrhunderts. Kampfesmut, Schlauheit sowie Integrität und Treue gehörten offensichtlich zu den maßgeblichen Werten. Im Gegensatz zur christlichen Ethik ist dabei alles gut, was einem selbst und der eigenen Gemeinschaft nützt. Außerhalb dieser Gemeinschaft scheint dagegen nahezu alles erlaubt gewesen zu sein.
  • Die Edda zeigt ein pessimistisches Weltbild. Mehrmals gehen ganze Sippen unter, und auch im Individuellen ist das Unglück allgegenwärtig: So manche große Liebe geht unwiederbringlich verloren, der Teufelskreis aus Rache und Gegenrache wird nicht durchbrochen.
  • Die Parallelen zur germanischen Nibelungensage öffnen Literaturwissenschaftlern ein weites Feld für den Vergleich zweier zeitlich und geografisch auseinanderliegenden Versionen desselben Stoffes. Herrscht im Nibelungenlied ein höfischer Ton, werden die Charaktere in der Edda deutlich archaischer geschildert. Das spricht dafür, dass zumindest einige Edda-Lieder älter sind als die älteste Handschrift des Nibelungenlieds.

Historischer Hintergrund

Machtkämpfe in Island

Die Landnahme Islands wird auf den Zeitraum zwischen 870 und 930 n. Chr. datiert. Die ersten Siedler waren hauptsächlich norwegische Wikinger. Ein entscheidendes Datum der isländischen Geschichte war das Jahr 1000. Damals landete nicht nur mit hoher Wahrscheinlichkeit der isländische Seefahrer Leif Eriksson an der Küste Amerikas, in diesem Jahr wurde auch die Christianisierung Islands anlässlich der Ratsversammlung in Pingvellir beschlossen. Im Unterschied zu den meisten Ländern Europas übte die Kirche daraufhin jedoch keine weltliche Macht aus, sondern unterstand den Gesetzen des Landes. Der Grund dafür war, dass die Goden, die adlige Führungsriege des Landes, die Insel nicht nur als vermögende Gutsherren beherrschten, sondern gleichzeitig die Rolle von Priestern übernahmen.

Das zwölfte Jahrhundert war ein überwiegend friedliches für Island, zumal alle Versuche Norwegens, die Insel unter Kontrolle zu bringen, zunächst scheiterten. Das änderte sich in der „Sturlungen-Zeit“ (1180–1262), die von blutigen Stammesfehden und bürgerkriegsähnlichen Zuständen geprägt war. Die Kirche strebte jetzt unverhohlen nach der Macht im Land, und dies spielte wiederum den Norwegern in die Hände, die weltliche und kirchliche Parteien gegeneinander auszuspielen wussten und so ihren Einfluss nach und nach ausbauten. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts übernahmen sie faktisch die Herrschaft über die Insel.

Das darauffolgende 13. Jahrhundert war in kultureller und religiöser Hinsicht eine Übergangszeit: Der alte Glaube mit seinen heidnischen Riten befand sich bereits in der Auflösung, während sich das Christentum erst noch etablieren musste.

Entstehung

Der Titel Edda wurde einem gleichnamigen Dichterlehrbuch des isländischen Autors Snorri Sturluson entlehnt, der in seinem Werk einige der Stoffe behandelt, die auch in der Lieder-Edda vorkommen. Die wichtigste Handschrift dieser Lieder ist der so genannte Codex Regius. Er wurde um 1270 in Island in altisländischer Sprache verfasst. Bei dem heute noch erhaltenen Dokument handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine Abschrift einer vor 1250 verfassten Vorlage. Darauf lässt zumindest die Schreibweise schließen, die Gewohnheiten aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts mit solchen aus der zweiten mischt.

Die Ursprünge vieler Texte der Edda dürften jedoch noch wesentlich weiter zurückreichen. Die Bezeichnung „Codex Regius“ besagt nichts anderes, als dass die erhaltene Handschrift zur königlich-dänischen Sammlung in Kopenhagen gehörte; sie wird auch für andere wertvolle Handschriften verwendet. Es ist wahrscheinlich, dass sich die älteren Lieder des Codex Regius auf Vorlagen aus dem zehnten Jahrhundert beziehen.

Noch ältere schriftliche Überlieferungen erscheinen allein aufgrund der sprachhistorischen Entwicklung ausgeschlossen. Mündliche Übertragungen vor diesem Zeitraum sind jedoch durchaus wahrscheinlich, darauf weisen Schnitz- und Ritzwerke in norwegischen Kirchen und auf dem schwedischen Ramsundstein hin. Einige Lieder der Edda dürften auf weniger alte Vorlagen zurückgehen. Sie stammen wohl aus dem zwölften und dem 13. Jahrhundert.

Wirkungsgeschichte

Die Edda gilt heute als wichtigste Quelle der altnordischen Mythologie. Einen Boom erlebte sie im Zuge der Romantik Anfang des 19. Jahrhunderts, insbesondere in Deutschland. Wissenschaftlich begründet wurde die Auseinandersetzung mit den Texten von Jakob Grimm, der 1835 sein Werk Deutsche Mythologie veröffentlichte. Es kam zu einer Reihe von Adaptionen der Sagenstoffe.

Berühmtestes Beispiel ist Richard Wagners zwischen 1851 und 1874 entstandener Opernzyklus Der Ring des Nibelungen. In seinem Bemühen, zum archaischen Kern des Mythos durchzudringen, zog Wagner die Edda als eine der Hauptquellen für sein Werk heran. Ihr urwüchsiger Charakter sagte ihm offensichtlich mehr zu als die „dekadente“ höfische Kulisse des Nibelungenlieds.

Wagners Verherrlichung des germanischen Mythos wurde schließlich ins 20. Jahrhundert hinübergerettet und fand ihren vorläufigen Höhepunkt in der beinahe kultischen Verehrung der germanischen Helden- und Göttergeschichten durch die Nationalsozialisten. Davon zeugen u. a. Namen wie Edda Göring oder Edda Mussolini. Solchermaßen trivialisiert und für ideologische Zwecke instrumentalisiert, wurde die Edda nach dem Zweiten Weltkrieg von der Forschung wohl bewusst vernachlässigt. Nur zögerlich bemüht man sich seither wieder, den ursprünglichen Sagen wissenschaftlich gerecht zu werden.

Über den Autor

Die Autoren der Edda sind unbekannt. Längere Zeit wurde das Werk dem isländischen Geistlichen und Gelehrten Sæmundur Sigfússon (1056–1133) zugeschrieben, auf dessen Heimatort Oddi auch der Titel „Edda“ zurückzuführen sein könnte. Der heutige Stand der Forschung liefert jedoch keinerlei Anhaltspunkte für die Urheberschaft Sigfússons – vieles weist eher auf das Gegenteil hin.Überhaupt scheint die eindeutige Bestimmung einer Autorschaft der damaligen Praxis einer hauptsächlich mündlichen Überlieferung über viele Generationen kaum angemessen. Allein die orthografische Entwicklung der altisländischen Sprache deutet darauf hin, dass es sich bei der ältesten erhaltenen Niederschrift der Edda lediglich um die Kopie einer anderen Handschrift handelt. Gleichzeitig genügen viele Edda-Lieder hohen Ansprüchen an Strophen- und Reimform und zeigen eine ausgefeilte Dramaturgie. Diese literarische Qualität lässt keinen Zweifel daran, dass es sich bei manchen der anonymen Dichter um herausragende Könner gehandelt haben muss.

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