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Sechs Personen suchen einen Autor

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Sechs Personen suchen einen Autor

Reclam,

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10 Take-aways
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Was ist drin?

Sechs Personen suchen einen Autor und finden keinen: Theater über die Unmöglichkeit des Theaters.


Literatur­klassiker

  • Drama
  • Moderne

Worum es geht

Theater im Theater

Luigi Pirandellos Stück Sechs Personen suchen einen Autor hat das Theater revolutioniert: indem es die Wendung „lebendige Figur“ wörtlich nahm und sechs literarische Figuren mit dem dringlichen Wunsch, ihr Drama aufzuführen, in ein Theater schickte. Pirandello lässt die Ebenen von Realität und Fiktion aufeinanderprallen, was bei den Zuschauern für Lacher sorgt und sie zugleich beunruhigt, denn die Gewissheiten über die Wirklichkeit geraten dabei ins Wanken. Immer wieder vom Regisseur, von den Schauspielern und voneinander unterbrochen, bringen die sechs Personen, Mitglieder einer Familie, ihre traurige Geschichte zu Gehör. Aber nur in einer einzigen schmerzlichen Szene gelingt es den Figuren, etwas zur Aufführung zu bringen: Der Versuch, in einem Theaterstück verewigt zu werden, misslingt. Auf einer anderen Wirklichkeitsebene aber hat Luigi Pirandello sie verewigt, in seinem Theaterstück über ein scheiterndes Theaterstück, das zu einem Klassiker der Moderne wurde.

Take-aways

  • Sechs Personen suchen einen Autor ist Pirandellos berühmtestes Stück und hat das Theater revolutioniert.
  • Inhalt: Sechs literarische Figuren platzen in eine Theaterprobe und bitten den Direktor, ihr Autor zu sein. Sie möchten die Familientragödie, die in ihnen angelegt ist, unbedingt aufführen. Tragische und pikante Szenen, vor allem zwischen Vater und Stieftochter, werden angedeutet. Schließlich scheitert das geplante Stück aber.
  • Die meisten Ereignisse werden nicht szenisch dargestellt, sondern von den Figuren erzählt.
  • Pirandello verwischt die Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Seine Methode wurde so berühmt, dass man sie „Pirandellismo“ nannte.
  • Das Spiel mit Sein und Schein wirft Fragen auf. Der Zuschauer bleibt im Unklaren darüber, was genau Wirklichkeit ist.
  • Zentral ist die Erkenntnis, dass der Mensch viele Gesichter hat und das Ich keine Einheit ist.
  • Sechs Personen suchen einen Autor ist der erste Teil von Pirandellos Trilogie des Theaters auf dem Theater.
  • Pirandello war Mitglied der faschistischen Partei Italiens.
  • 1934 bekam er den Literaturnobelpreis.
  • Zitat: „Stellen Sie sich vor, welches Unglück es für eine Figur bedeutet, wenn sie (…) lebendig aus der Fantasie eines Autors geboren ist, der ihr dann das Leben verweigern will.“

Zusammenfassung

Sechs Personen stören eine Theaterprobe

In einem Theater finden sich einige Schauspieler zur Probe von Luigi Pirandellos Komödie Rollenspiel ein. Die erste Darstellerin kommt zu spät, ein anderer Schauspieler murrt wegen der Mütze, die er tragen muss. Der Theaterdirektor ist gereizt und zeigt sich nicht eben begeistert von dem Stück, das er probt – Pirandello ist eine Notlösung. Mitten in die gerade begonnene Probe platzt der Pförtner, um die Ankunft von sechs Personen zu melden, die ihm auch sogleich folgen und denen jeweils eine bestimmte Emotion ins Gesicht geschrieben ist: Es sind der reuevolle Vater, die schmerzerfüllte Mutter, die rachsüchtige Stieftochter, der verächtliche Sohn sowie zwei weitere Kinder, ein 14-jähriger Junge und ein vierjähriges Mädchen. Der Vater sagt, sie seien auf der Suche nach einem Autor. Er bittet den Direktor, dieser Autor zu sein. Sie, die sechs Personen, könnten ein neues Stück darstellen. Die Schauspieler reagieren mit Gelächter, und der Theaterdirektor sagt, er wolle sich nicht mit Verrückten abgeben. Doch der Vater weist ihn darauf hin, wie nah sein Beruf – ausgedachte Figuren auf die Bühne zu bringen – an der Verrücktheit sei.

Eine Familientragödie

Der Direktor möchte die Personen nach wie vor wegschicken, aber der Vater redet entschlossen weiter: Sie möchten das Drama, das in ihnen steckt, leidenschaftlich gern zur Aufführung bringen. Denn sie sind aus der Fantasie eines Autors geboren, aber dieser hat sie dann doch in kein Kunstwerk eingeschrieben. Die Stieftochter macht beim Stichwort „Leidenschaft“ frivole Andeutungen mit Blick auf den Vater und fängt aufreizend an zu singen. Die Schauspieler sind ebenso abgestoßen wie fasziniert. Die Stieftochter deutet noch Weiteres an, u. a. dass die Mutter die Mutter aller Kinder sei. Der 22-jährige Sohn betrachte die anderen drei aber als Bastarde, da sie einen anderen Vater haben. In ihrem Schmerz erleidet die Mutter einen Schwächeanfall, man muss ihr einen Stuhl bringen. Sie bittet den Direktor, die Aufführung des Dramas zu verhindern, denn sie würde es nicht aushalten.

„Was (...) kann ich daran ändern, wenn aus Frankreich keine gute Komödie mehr zu uns kommt und wir gezwungen sind, Komödien von Pirandello aufzuführen, die kein normaler Mensch versteht (...)“ (Theaterdirektor, S. 27)

Der Direktor begreift die Familienverhältnisse nicht und lässt sie sich erklären: Die Mutter hatte noch einen anderen Mann, der vor zwei Monaten verstarb. Die Mutter behauptet, der Vater selbst habe ihr diesen Mann aufgedrängt – was der Vater bestätigt. Die zuschauenden Schauspieler wundern sich und sind entsetzt, als die Stieftochter ihre Andeutungen konkretisiert: 100 Lire habe der Vater für sie bezahlt, im Hinterzimmer einer Boutique, die in Wirklichkeit ein Bordell sei, geführt von einer gewissen Madame Pace. Die Stieftochter möchte diese Szene auf die Bühne bringen, um sich zu rächen. Der Vater bittet den Direktor darum, für Ordnung zu sorgen, denn jeder habe hier seine eigene Version. Die Mutter z. B., die er als geistig taub bezeichnet, fasse als Grausamkeit auf, was für ihn ein Akt des Mitleids war.

„Wir sind auf der Suche nach einem Autor.“ (Vater, S. 31)

Er erzählt: Er hatte einst einen treuen Angestellten, der sich mit der Mutter sehr gut verstand – schließlich verstieß er den Angestellten, aber dann wirkte die Mutter verloren auf ihn. Diese wirft ein, dass er ihr ja auch den Sohn entrissen habe, und der Vater erzählt, dass er ihn damals einer Bäuerin zur Pflege anvertraut habe, weil ihm die Mutter zu schwach erschienen sei. Schließlich habe er sie zu dem anderen Mann geschickt, um, so sagt er, sie von sich zu befreien. Er behielt die Mutter und ihre Kinder aber im Auge. Die Stieftochter findet auch diese Anteilnahme frivol: Er habe sie beim Heranwachsen beobachtet. Der neue Mann fühlte sich von der Präsenz des Exmannes irgendwann so bedrängt, dass er eine Stelle im Ausland annahm und der Vater so alle aus den Augen verlor. Er fühlte sich einsam in seinem Haus; der Sohn, der nach seiner Kindheit auf dem Land zu ihm zurückgekehrt war, blieb ihm fremd. Der Direktor wirft ein, dies alles sei nur Erzählung, und der Sohn sekundiert: alles nur Literatur.

Jeder Mensch hat viele Gesichter

Der Tod des Stiefvaters stürzte die Familie ins Elend. Die Mutter kehrte mit den Kindern aus dem Ausland zurück, und so nahm das Drama seinen Lauf. Der Vater sinniert über seinen Sexualtrieb, der ihn in das zweifelhafte Etablissement geführt habe. Er sagt, dass er sich über den Bordellbesuch schämt, und weist darauf hin, wie viel Mut zu so etwas gehört – die Stieftochter findet aber gerade dieses Zurschaustellen und Rechtfertigen seiner Triebhaftigkeit abstoßend. Wieder wirft der Direktor ein: Dies seien nur Diskussionen und keine Handlung. Die Mutter fing als Näherin bei jener Madame Pace an. Sie wusste damals nicht, dass diese sie nur deshalb beschäftigte, weil sie es auf ihre Tochter abgesehen hatte. Wenn die Tochter die von der Mutter genähten Sachen abgab, hatte Madame Pace immer etwas auszusetzen. Für die Mängel ließ sie die Tochter bezahlen. So begegneten sich dann der Vater und die Stieftochter, und gerade noch rechtzeitig kam die Mutter hinzu, erkannte den Vater und stieß einen furchtbaren Schrei aus.

„Ist es nicht Ihre Aufgabe, Fantasiegestalten auf der Bühne zum Leben zu erwecken?“ (Vater zum Theaterdirektor, S. 32)

Danach nahm der Vater die beiden mit in sein Haus. Er wehrt sich gegen die Reduktion seiner Person auf diesen einen beschämenden Augenblick im Bordell. Er ist der Überzeugung, dass der Mensch nicht einer, sondern viele ist: Je nach Rolle hat er ein anderes Gesicht. Außerdem gelte es auch das Drama der anderen zu berücksichtigen. Sein Blick gleitet zu den jüngsten Kindern hinüber: Ihre Lage sei die vielleicht misslichste. Der Direktor weist den Vater darauf hin, was für ein Problem Kinder auf der Bühne darstellen, aber von dem ihm dargebotenen Stoff zeigt er sich zunehmend angetan. Der Vater besteht darauf, dass der Direktor selbst der Autor sein müsse – es gehe ja lediglich darum, mitzuschreiben, was ihm vorgespielt werde. Der Direktor unterbricht die Arbeit auf der Bühne für eine Besprechung in seinem Büro. Die Schauspieler schickt er für eine Viertelstunde weg.

Vorbereitung der zentralen Szene

Als alle wieder auf der Bühne sind, werden Vorbereitungen für die Szene in Madame Paces Hinterzimmer getroffen. Der Souffleur wird angewiesen, das Dargestellte zu stenografieren. Zunächst sollen die Personen die Szene spielen, dann die Schauspieler – doch dieser Gedanke ist den Personen unangenehm: Sie möchten nicht von anderen dargestellt werden, sondern sich ausschließlich selbst spielen. Die Stieftochter findet es zudem problematisch, dass die Kulisse von der Realität abweicht – sie möchte die Chaiselongue genau so haben, wie sie war. Auch fehlt Madame Pace selbst für diese Szene. Der Vater will sie herbeilocken, indem er alles so arrangiert, wie es in ihrer „Boutique“ ausgesehen hat – und die Beschwörung gelingt tatsächlich: Die enorm dicke, grell geschminkte Madame Pace tritt durch die Kulissentür. Bei ihrem Anblick springen die Schauspieler und der Direktor erschreckt von der Bühne. Doch der Vater fordert sie auf, das Wunder dieser soeben entstehenden Wirklichkeit zu akzeptieren. In von Spanisch durchsetzten Sätzen sagt Madame Pace, die Näharbeit der Mutter sei wieder schlecht gewesen, wenn aber die Stieftochter geduldig sei, dann stehe sie der Familie auch weiterhin bei: Hier sei ein alter Herr, der sich mit ihr amüsieren wolle. Die Mutter unterbricht die begonnene Szene, indem sie Madame Pace die Perücke vom Kopf reißt und sie als Hexe und Mörderin beschimpft. Man solle die Mutter entfernen, fordern die Stieftochter, der Vater und Madame Pace, aber der Direktor bittet die aufgebrachte Frau lediglich, sich wieder zu setzen. Sie hält es kaum aus, sich die folgende Szene anzusehen.

Die Szene im Bordell

Der Vater begrüßt die Stieftochter mit forscher Stimme. Sie blickt zu Boden, weshalb er sie fragt, ob sie zum ersten Mal hier sei. Sie verneint. Als er ihr den Hut abnehmen will, lässt sie es nicht zu; sie tut es lieber selbst. Er möchte ihr einen hübscheren Hut aus dem Sortiment von Madame Pace schenken. Doch die Stieftochter entgegnet ungeduldig, dass ihn doch gar nicht tragen könne, denn sie sei in Trauer. Das hätte der Vater an ihrem Kleid bemerken können. Der Vater schämt sich. Der Direktor ist begeistert von der Szene, ist aber der Meinung, dass sie von den Schauspielern gespielt werden müsse. Sogleich machen sich diese daran, die Szene bis hierher zu spielen, immer wieder unterbrochen vom Vater und der Stieftochter, die sich verfälscht sehen. Der aufgebrachte Direktor verschiebt die Probe mit den Schauspielern auf später, weil sie vor den Personen nicht möglich ist. Diese sollen zuerst weiterspielen, damit der Text gesichert ist.

„(...) wer das Glück hat, als lebendige Bühnenfigur geboren zu werden, der kann auch den Tod verlachen. Er stirbt nicht mehr! Sterben wird der Mensch, der Schriftsteller, der das Instrument zur Schöpfung ist; das Geschöpf ist unsterblich!“ (Vater, S. 34)

Die Stieftochter sagt dem Vater, sie wolle selbst nicht an ihr Trauerkleid denken. Daraufhin entgegnet der Vater: „Na gut! Dann ziehen wir es schnell aus, das Kleidchen.“ Das ist dem Direktor zu explizit, es werde einen Theaterskandal provozieren. Es sei aber die Wahrheit, so die Stieftochter. Sie sei dann hinter den Paravent gegangen und habe sich, zitternd vor Ekel und Scham, ausgezogen. Als der Direktor wiederholt, dergleichen sei auf der Bühne nicht möglich, weigert sie sich weiterzumachen und behauptet, der Vater und der Direktor hätten sich abgesprochen – denn auch der Vater ist am Ausbuchstabieren dieser Szene viel weniger interessiert als an der Darstellung seiner Gewissensqualen. Schließlich einigen sie sich darauf, dass die Personen zunächst alles darstellen sollen und der Direktor dann daraus macht, was er für machbar hält. Die Stieftochter fordert allerdings, die weinende Mutter hinauszuschicken. Diese wiederum will, dass die Darstellung abgebrochen wird, weil sie die Szenen nicht ertrage. Auf den Einwand des Direktors, es sei doch alles sowieso schon passiert, entgegnet sie, dass es immerzu aufs Neue passiere; ihr Leid sei in jedem Augenblick frisch und lebendig. Man redet erneut über den Schrei, den sie ausstieß, als sie ihre Tochter mit dem Vater sah. Die Stieftochter stellt sich in Position, dann stößt die Mutter diesen Schrei aus. Die Schauspieler sind erschüttert, der Direktor ist begeistert und ruft: „Vorhang“, weil ihm klar ist, dass hier der erste Akt zu Ende sein muss. Der Bühnentechniker lässt daraufhin den Vorhang hinunter.

Was ist wirklich?

Als der Vorhang wieder hochgeht, ist die Kulisse verändert, nun ist ein kleines Gartenbassin zu sehen. Der Vater verstrickt den Direktor in eine philosophische Diskussion über den Begriff der Wirklichkeit: Auch die Wirklichkeit des Direktors sei nicht stabil, was er daran sehen könne, dass frühere Wahrheiten ihm heute als unwahr erschienen. Der verunsicherte Direktor versucht, das ins Lächerliche zu ziehen: Es fehle nur noch, dass sie, die Personen, wirklicher seien als er. Das bestätigt der Vater mit dem größten Ernst. Die Wirklichkeit des Direktors sei wandelbar, die der Personen dagegen nicht, das sei ja gerade das Tragische: Sie seien in der Fantasie eines Autors entstanden, aber nicht in ein Kunstwerk eingegangen. Der Direktor will weitermachen. Nun steht eine Szene mit den bislang stummen Kindern an, und er fragt sich, ob zumindest dem Jungen wohl ein paar Worte zu entlocken wären. Die Stieftochter entgegnet, das sei nur möglich, wenn der verächtliche ältere Sohn verschwinde. Der bekundet, nichts lieber zu tun, und schickt sich an, zu gehen. Die Stieftochter prophezeit allerdings, dass er nicht gehen könne, und tatsächlich: Er hält in der Bewegung inne, unfähig, die Treppe von der Bühne hinabzusteigen. Und während die Mutter inzwischen signalisiert, weiterspielen zu wollen, verweigert sich der Sohn, obwohl er zum Bleiben verdammt ist.

Die Katastrophe

Die Stieftochter beginnt zu dem stummen kleinen Mädchen zu sprechen: Man habe ihm eine hässliche Rolle zugedacht, und das Kulissenbassin sei leider für das Mädchen die Wirklichkeit. Die Mutter passe nicht auf die kleine Tochter auf, weil sie mit dem ältesten Sohn spreche; sie selbst auch nicht, da sie mit all ihren „schändlichen Gedanken“ beschäftigt sei, und der jüngere Sohn ebenso wenig, weil er herumlungere. Es werde auch seine Schuld sein, dass das kleine Mädchen ertrinke, sagt die Stieftochter. Sie zerrt die Hand des stummen Jungen aus der Tasche, in der er etwas verborgen hält. Zum allgemeinen Entsetzen ist es ein Revolver. Die Stieftochter stößt den Jungen hinter den Baum zurück mit dem Hinweis, er solle nicht sich umbringen, sondern den Vater oder den Sohn. Dann legt sie das kleine Mädchen auf den Boden des Bassins. Der Direktor ist zufrieden.

„Das Drama ist in uns; wir verkörpern es. Und wir brennen darauf, es aufzuführen (...)“ (Vater, S. 35)

Nun soll die Szene zwischen der Mutter und dem Sohn gespielt werden. Die Mutter bestätigt, sie sei in das Zimmer des Sohnes gegangen. Weil der Sohn sich nach wie vor weigert, irgendetwas darzustellen, erzählen die beiden nur, was geschehen ist: Der Sohn lief vor der Mutter weg in den Garten und sah, dass das kleine Mädchen ertrunken war. Er wollte eben hinstürzen, da entdeckte er hinter dem Baum den Jungen mit irrem Blick. Er war drauf und dran, auf ihn zuzugehen, da ... In diesem Moment kracht auf der Bühne ein Schuss. Die Mutter läuft schreiend zu dem Jungen hin. In der allgemeinen Verwirrung fragt der Direktor, ob der Junge sich verletzt habe. Eine Schauspielerin sagt, er sei tot; dies bestreitet ein anderer Schauspieler: Es sei doch alles nur erdichtet. Dagegen protestiert lauthals der Vater. Dem Direktor reicht es endgültig, er ruft nach Licht, und die Bühne erstrahlt taghell. Der Direktor ärgert sich, einen ganzen Probetag vergeudet zu haben, und schickt alle nach Hause. Doch dann geht zu seinem Entsetzen ein grüner Scheinwerfer an und wirft die Umrisse der Personen mit Ausnahme des Mädchens und des Jungen auf den Vorhang. Der Sohn, die Mutter und der Vater treten dahinter hervor, als Letzte die Stieftochter. Sie fängt schrill an zu lachen und verlässt die Bühne, einmal dreht sie sich noch um zu denen, die oben bleiben. Dann entfernt sie sich durch den Zuschauerraum.

Zum Text

Aufbau und Stil

Sechs Personen suchen einen Autor ist nicht in Akte unterteilt. Es gibt allerdings zwei Unterbrechungen im Verlauf des Dramas: das erste Mal, wenn der Direktor sich mit den Personen in sein Büro zurückzieht, um den Aufbau des Stücks zu besprechen; das zweite Mal, wenn der Bühnentechniker aus einem Missverständnis heraus den Vorhang herunterlässt. Der Text enthält sehr ausführliche Regieanweisungen, die selbst Angaben über Requisiten und Kostüme beinhalten. Die Handlung der Familientragödie entwickelt sich nicht stringent. Sie ist nicht chronologisch aufgebaut und von mehreren Unterbrechungen durchsetzt: durch den Direktor, die Schauspieler sowie durch Versuche der Familienmitglieder, Dinge richtigzustellen. Zudem erfährt man das meiste nicht aus dargestellten Szenen, sondern aus der Nacherzählung der Figuren. In Andeutungen, Berichten und versuchter Darstellung wird die Begegnung von Vater und Stieftochter im Bordell mehrfach wiederholt; das ganze Stück kreist um diese Szene.

Interpretationsansätze

  • Die Grundidee des Stücks nimmt die im übertragenen Sinn gemeinte Forderung nach „lebendigen Figuren“ wörtlich. Hier treten sechs literarische Figuren in die Welt des Theaterpersonals und der Zuschauer ein.
  • Es ist ein Theaterstück über ein scheiterndes Theaterstück: Den Figuren gelingt es nicht, ihr Drama auf die Bühne zu bringen, woraus sich ein neues Theaterstück ergibt. Für Pirandello ist das Drama, zumindest das realistisch-illusionistische, unmöglich geworden. Die tragische Handlung wird nur durch szenische Andeutungen, Erzählungen und Brüche vermittelt.
  • Zentral ist der Illusionsbruch, der ein ungestörtes Einfühlen in das durchaus tragische Schicksal der Familie verhindert. Pirandello erzeugt ihn durch abrupte Wechsel der Wirklichkeitsebenen, etwa wenn der Direktor mitten in einer aufwühlenden Szene seine Kommentare abgibt und darauf hinweist, dass alles nur Fiktion ist.
  • Die Vermischung der Wirklichkeitsebenen verwirrt. Manchmal geht eine erzählte Szene unmerklich in eine dargestellte über, so etwa am Schluss: Der Junge auf der Bühne schießt genau in dem Moment, als in der Erzählung der Schuss an der Reihe wäre.
  • Dieses Spiel mit Sein und Schein wirft beim Zuschauer Fragen auf. Sind die bloß spielenden Schauspieler wirklicher oder die erdachten, aber offenbar echt leidenden Figuren? Was ist überhaupt Wirklichkeit?
  • Auch auf der Figurenebene gibt es keine klar fassbare Wirklichkeit: Jede Figur vereint mehrere Rollen in sich, das Ich ist zersplittert, zudem hat jeder seine eigene Version derselben Geschichte. So betont der Vater, wie besorgt er immer um die Familie war, während die Stieftochter in ihm nur den Lüstling sieht. Pirandello zerstört das Bild vom Menschen als Einheit und ist damit ein Vorreiter der Moderne.
  • Die sechs Personen sind unterschiedlich deutlich ausgearbeitet, so wie es in der Fantasie des namenlosen Autors gewesen sein soll: Der Vater und die Stieftochter tragen ausgeprägte Züge, während der Sohn nur in seiner Verweigerung deutlich wird und die beiden jüngsten Kinder ganz stumm und ungestaltet bleiben.

Historischer Hintergrund

Der italienische Faschismus und die Intellektuellen

Das Königreich Italien, zunächst neutral, war 1915 gegen die Mittelmächte in den Ersten Weltkrieg eingetreten – wegen großer Gebietsversprechungen durch die Entente. Der Krieg trieb das Land aber fast in den militärischen und politischen Ruin. Deshalb war die innenpolitische Lage nach dem Krieg sehr angespannt. Breite Bevölkerungsschichten drängten auf die sozialen Verbesserungen, die ihnen während des Krieges in Aussicht gestellt worden waren, damit sie weiter durchhielten. Nun aber vergaßen die herrschenden Eliten ihre Versprechungen und wollten ihre Besitzstände wahren.

Ihnen kamen die faschistischen Kampfbünde zu Hilfe, die sich unter der Führung von Benito Mussolini bildeten und die mit Gewalt und Terror politische Gegner einschüchterten. 1921 beendeten sie einen Generalstreik, was ihre Macht enorm steigerte und ihnen ein Jahr später einen bewaffneten Marsch auf Rom ermöglichte. Das staatliche Militär wäre ihnen zwar überlegen gewesen, doch aus Angst vor einem Bürgerkrieg leistete König Viktor Emanuel III. keinen Widerstand. Er ernannte Mussolini zum Ministerpräsidenten. Ab 1926 waren alle Oppositionsparteien verboten, und 1928 war der Umbau zur faschistischen Diktatur vollzogen.

Von Anfang an waren zahlreiche italienische Intellektuelle von der faschistischen Bewegung fasziniert; sie sahen im Auftreten der Faschisten eine kühne Neuerung. Die neuen Machthaber wiederum suchten den Schulterschluss mit den Künstlern: 1925 fand in Bologna eine Tagung der faschistischen Kultur statt; daraus resultierte das Manifest der faschistischen Intellektuellen, das mehr als 250 Intellektuelle unterzeichneten, darunter auch Luigi Pirandello.

Entstehung

Das Theaterstück Sechs Personen suchen einen Autor fußt auf zwei von Pirandellos Novellen, in denen ein Autor literarischen Figuren Audienzen gewährt, aber nur einigen von ihnen eine literarische Form gibt. Pirandello plante außerdem einen Roman mit dem Titel Roman, der erst gemacht werden soll, der ebenfalls von dem gescheiterten Versuch handelt, ein Theaterstück zu inszenieren, und eine ähnliche Tragödie ins Zentrum stellt.

Die Szene zwischen Vater und Stieftochter im Bordell enthält insofern autobiografische Anteile, als Pirandellos Frau ihn in einem Anfall von Wahnsinn des Inzests mit der eigenen Tochter bezichtigte. Die Ehefrau wurde daraufhin in eine Anstalt eingewiesen, die sie nie mehr verließ. Die Tochter floh und kehrte ebenfalls nicht mehr nach Hause zurück.

Pirandellos Auffassung von der Uneinheitlichkeit des Individuums wurzelt in seinem Studium der Literatur und Philosophie, namentlich der deutschen. Während seiner Zeit in Bonn las er die Werke von Arthur Schopenhauer und Friedrich Nietzsche. Außerdem war er von den deutschen Romantikern und ihren Symbolen des Spiegels und des Doppelgängers fasziniert.

Wirkungsgeschichte

Sechs Personen suchen einen Autor wurde am 10. Mai 1921 in Rom uraufgeführt. Das Stück rief beim Publikum gespaltene Reaktionen hervor; von den Gegnern war immer wieder der Zwischenruf „Irrenhaus!“ zu hören. Pirandello wohnte der Aufführung mit seiner Tochter bei – sie mussten das Theater durch einen Seiteneingang verlassen, um vor der aufgebrachten Menge zu fliehen. Noch im selben Jahr war eine Aufführung in Mailand dagegen ein rauschender Erfolg. Von dort trat das Stück seinen Siegeszug durch die Theater der Welt an und begründete Pirandellos Ruhm. Die deutschsprachige Erstaufführung war am 4. April 1924 in Wien. Im selben Jahr inszenierten andere Regisseure das Stück in München und Berlin und es entpuppte sich als echter Meilenstein der Theatergeschichte – der neuartige Text förderte die Experimentierlust der Regisseure.

Sechs Personen suchen einen Autor eröffnete Pirandellos Trilogie des Theaters auf dem Theater; die beiden anderen Dramen sind Jeder nach seiner Art (1924) und Heute Abend wird aus dem Stegreif gespielt (1930). Dank dieser Stücke, insbesondere aber dank des berühmten ersten, wurde Pirandello in den 20er und 30er Jahren zum Inbegriff des Theaterrevolutionärs und zu einem der meistgespielten Autoren. Er war so sehr en vogue, dass man von „Pirandellismo“ sprach, um die Mischung aus unerhörter Handlungsidee, ironischer Offenheit des Stücks und schneller Abfolge hochdramatischer Gefühle zu bezeichnen.

Über den Autor

Luigi Pirandello wird am 28. Juni 1867 auf dem Landgut Càvusu (später Caos genannt) nahe dem heutigen Agrigent auf Sizilien geboren und wächst in einer wohlhabenden Familie auf. Die gesellschaftlich rückwärtsgewandte Atmosphäre Siziliens und der autoritäre, cholerische Vater prägen seine Jugend. Sein Studium der Philologie führt ihn nach Palermo, Rom und später nach Bonn, wo er eine sprachwissenschaftliche Dissertation über die Mundart seiner Heimatstadt Girgenti (Agrigent) schreibt. Obwohl er sich in die Tochter seiner Wirtsleute in Bonn verliebt hat, kehrt er nach Italien zurück und willigt in die arrangierte Heirat mit Antonietta Portulano ein, der Tochter eines Geschäftsfreundes des Vaters. Aus der Ehe gehen drei Kinder hervor. Pirandello lebt mit seiner Familie als Journalist und Schriftsteller in Rom; die ersten Dramen und Romane entstehen. Die Ehe wird für das Paar zur Qual. Nach einem Grubenunglück im Jahr 1903, in dessen Folge das Familienvermögen verloren geht, denkt Pirandello zunächst an Selbstmord, doch dann beschließt er, mehr zu arbeiten, um seine Familie durchzubringen. Antonietta, von Anfang an von Verlustängsten und Eifersucht geplagt, wird psychisch krank. 1919 willigt Pirandello ein, dass sie in eine Heilanstalt gebracht wird. Der Autor wird Professor für italienische Literaturgeschichte und ein gefeierter, international bekannter Schriftsteller. Als 1921 sein Stück Sechs Personen suchen einen Autor (Sei personaggi in cerca d’autore) aufgeführt wird, kommt es zum Skandal: Die Idee, Theaterfiguren könnten vom Regisseur ihre eigene Aufführung verlangen, überfordert das Publikum. 1924 tritt Pirandello in die faschistische Partei ein. Benito Mussolini erscheint ihm als Retter vor dem Zerfall der italienischen Gesellschaft, Pirandello hält eine hymnische Rede auf den Duce. Dieser übergibt ihm die Leitung eines eigenen, vom Staat subventionierten Theaters und wohnt der Eröffnung eines seiner Stücke bei. Pirandello geht mit seiner Truppe auf Tournee, teilweise aus Zwang, da das Geld knapp ist. Der Faschismus enttäuscht ihn. 1934 erhält er den Nobelpreis für Literatur. Am 10. Dezember 1936 stirbt er in Rom.

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