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Verlorene Illusionen

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Verlorene Illusionen

Diogenes Verlag,

15 min read
12 take-aways
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What's inside?

Eines der Hauptwerke Balzacs: Aufstieg und Fall eines Journalisten in Paris.

Literatur­klassiker

  • Gesellschaftsroman
  • Realismus

Worum es geht

Aufstieg und Fall eines Journalisten

Verlorene Illusionen ist einer der Dreh- und Angelpunkte der Menschlichen Komödie, Balzacs Mammutzyklus aus rund 90 Romanen. Wie immer bei diesem Autor wird der Leser mit Details des gesellschaftlichen Lebens nahezu erschlagen. Der junge, aufstrebende Dichter Lucien gerĂ€t in einem ProvinzstĂ€dtchen ins Intrigenspiel zwischen altem Adel und liberalem BĂŒrgertum. Seine Geliebte, die adlige Madame de Bargeton, flieht mit ihm nach Paris – und lĂ€sst ihn dort fallen wie eine heiße Kartoffel, weil er als „Underdog“ in der Pariser Gesellschaft ein Niemand ist. Lucien taucht in KĂŒnstlerkreise ab und landet schließlich als Feuilletonist bei einer Zeitung. In diesem Moloch aus Meinungsmachern und Intriganten steigt er schnell auf, kehrt aber genauso schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurĂŒck. Er flieht zurĂŒck in die Heimatstadt, wo er durch sein egoistisches Verhalten sogar seinen besten Freund in arge BedrĂ€ngnis gebracht hat. Am Ende bleibt offen, was aus Lucien wird – doch Balzac machte ihn auch zum Helden eines Folgeromans. Verlorene Illusionen ist ein ĂŒberaus ĂŒppiges Kaleidoskop des gesellschaftlichen Lebens in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts. FĂŒr Liebhaber dicker Schwarten ein Fest.

Take-aways

  • Verlorene Illusionen ist eines der Hauptwerke aus dem Romanzyklus Die menschliche Komödie von HonorĂ© de Balzac.
  • Wie alle Werke Balzacs ist der Roman ein kritisches GesellschaftsportrĂ€t. Er widmet sich insbesondere der Presse im frĂŒhen 19. Jahrhundert.
  • Im Mittelpunkt stehen die Lebenswege der beiden Freunde Lucien Chardon und David SĂ©chard.
  • David hat eine Druckerei geerbt und versucht, ein Verfahren zu entwickeln, um billiges Papier herzustellen; Lucien trĂ€umt davon, ein berĂŒhmter Dichter zu werden.
  • Luciens VerhĂ€ltnis mit der adligen Madame de Bargeton ruft im ProvinzstĂ€dtchen AngoulĂȘme einen Skandal hervor. Gemeinsam fliehen sie nach Paris.
  • Der Versuch, Lucien in die feine Pariser Gesellschaft einzufĂŒhren, scheitert klĂ€glich und Madame de Bargeton lĂ€sst ihn daraufhin fallen.
  • Mittel- und bedeutungslos lernt er eine Gruppe idealistischer Dichter kennen, die ihm bei der Umarbeitung eines Romans helfen.
  • Doch Lucien entscheidet sich fĂŒr den Journalismus; er wird berĂŒhmt, nutzt seine neue Macht aus und wird selbst ein Opfer böswilliger Intrigen.
  • Schließlich kehrt er in seine Heimatstadt zurĂŒck, wo sein Freund David aufgrund von Luciens gefĂ€lschten Wechseln verurteilt und in den Ruin getrieben worden ist.
  • David verkauft seine Druckerei. Lucien begeht fast Selbstmord, kehrt aber dann nach Paris zurĂŒck.
  • Sein weiteres Schicksal erzĂ€hlt Balzac in Glanz und Elend der Kurtisanen.
  • Der Autor ist mit seiner rund 90 BĂ€nde umfassenden Menschlichen Komödie der Urvater des realistischen Romans in Frankreich.

Zusammenfassung

Zwei Freunde

AngoulĂȘme im Jahr 1821: Der junge David SĂ©chard ĂŒbernimmt von seinem geizigen alten Vater eine Druckerei. Doch die ist veraltet und bringt wenig ein. David, der in Paris studiert hat, will ohnehin weniger ein Drucker als vielmehr ein Naturwissenschaftler sein. Auch sein Freund Lucien Chardon fĂŒhlt sich zu Höherem berufen. Er ist der Sohn eines Apothekers, der die Familie nach seinem Tod in Armut zurĂŒckgelassen hat. David gibt Lucien eine Stelle als Korrektor in der Druckerei, damit dieser ein Auskommen hat. Doch Lucien möchte Dichter werden. Gemeinsam verbringen der zierliche, fast weiblich wirkende Lucien und der krĂ€ftige, aber grĂŒblerische David viele Nachmittage im Hof der Druckerei, wo sie bedeutende Schriftsteller lesen und auch selbst einiges verfassen. Eines Tages wird Lucien zu Madame de Bargeton eingeladen, einer gelangweilten Adligen, die fĂŒr die Dichtkunst schwĂ€rmt. Lucien, der bereits ein Auge auf die Dame geworfen hat, ist hocherfreut. Als Apothekersohn aus der unteren Stadt hat er kaum zu hoffen gewagt, dass ihm jemals Zugang zur adligen Gesellschaft in der oberen Stadt gewĂ€hrt wĂŒrde. Zwischen den beiden Stadtteilen herrscht nĂ€mlich Feindschaft aus Tradition: WĂ€hrend oben der zumeist verarmte Adel mit politischem Einfluss residiert, herrscht unten eine finanzkrĂ€ftige Industrie. Wie Lucien erst spĂ€ter erfĂ€hrt, ist es der Ă€ltere Beamte Sixtus de ChĂątelet, der ihn nach RĂŒcksprache mit dem Direktor des Gymnasiums, das Lucien besucht hat, bei Madame de Bargeton empfohlen hat. ChĂątelet, der Madame fĂŒr seine Zwecke einspannen will, erkennt zu spĂ€t, dass der hĂŒbsche Lucien ein Konkurrent fĂŒr ihn ist.

Skandal in der Provinz

Lucien wird als aufstrebender Dichter angesehen und wĂ€hnt sich im siebten Himmel. Doch bei den Gesellschaften behandeln ihn die adligen GĂ€ste mit höflicher Herablassung. Einzig ChĂątelet ĂŒberhĂ€uft ihn mit Freundlichkeiten – und Madame de Bargeton, die sich in Lucien verliebt hat, weil er ihr bisher langweiliges Leben in ein Abenteuer verwandelt. Auf ihren Rat nimmt Lucien den Namen seiner adligen Mutter „de RubemprĂ©â€œ an und verleugnet den Vater. Als er in der Gesellschaft fremde und eigene Werke vortrĂ€gt, bemerkt er das Desinteresse der GĂ€ste und fĂŒhlt sich gedemĂŒtigt. Er verlangt von Madame, sie solle auch seinen Freund David einladen, um ihre Liebe zu beweisen. Doch David ahnt, dass er in diesen Kreisen fehl am Platz ist. Auf einem Spaziergang vertraut er Luciens Schwester Eva seine Gedanken an. Wird Lucien nicht am Ende unglĂŒcklich werden, wenn er sich ĂŒber seinen eigenen Stand erhebt? David macht Eva einen Heiratsantrag. Er meint, diese Verbindung wĂŒrde auch fĂŒr Lucien ein GlĂŒck sein, da die gesamte Familie Chardon zu David ĂŒbersiedeln könnte und die Frauen nicht mehr zu arbeiten brĂ€uchten. Eva willigt ein. Doch wĂ€hrend David den ersten Stock der Druckerei liebevoll umgestalten lĂ€sst, kommt es zu einem Skandal: Lucien wird von ChĂątelet ĂŒberrascht, wie er sich verzweifelt an Madame de Bargeton klammert, um sich ihrer Liebe zu vergewissern. Schon bald spricht die ganze Stadt von nichts anderem mehr. Madame will der Enge der Kleinstadt entfliehen und schlĂ€gt Lucien vor, mit ihr nach Paris zu gehen. Unter TrĂ€nen verabschiedet sich die Familie von Lucien und gibt ihm 2000 geliehene Francs mit auf den Weg.

Ein Provinzler in Paris

In Paris steigen Lucien und Madame de Bargeton in einem schĂ€bigen Hotel ab. Doch das Versteck ist bald entdeckt: Bereits am Nachmittag trifft ChĂątelet ein und beschwört Madame, nicht mit dem Apothekersohn im gleichen Hotel zu wohnen; sie wĂŒrde sich damit in den noblen Kreisen unmöglich machen. Erschrocken, dass sie so schnell aufgespĂŒrt worden ist, willigt Madame de Bargeton ein und zieht um. Lucien fĂŒhlt sich derweil klein und unbedeutend angesichts der großen HĂ€user und prĂ€chtigen GeschĂ€fte, an denen er auf seinem ersten Spaziergang durch Paris vorbeikommt. Noch dazu ist seine Garderobe völlig unpassend. Als er eines Abends mit seiner Gönnerin und deren einflussreicher Kusine Marquise d’Espard in die Oper geht, bemĂ€ngelt diese prompt Luciens Aufzug. Auch Madame de Bargeton erscheint er plötzlich linkisch und gar nicht mehr so schön. ÜberstĂŒrzt verlassen die Damen die Oper. Lucien wird von ChĂątelet und allen Bekannten der Marquise, denen er vorgestellt wurde, geschnitten. An den folgenden Tagen empfĂ€ngt ihn Madame nicht mehr. Eine bereits ausgesprochene Einladung zur Marquise wird wegen einer „UnpĂ€sslichkeit“ zurĂŒckgenommen. Lucien begreift, dass Madame de Bargeton ihn hat fallen lassen.

Brotlose Kunst

Da sich seine Barschaft dem Ende zuneigt, ĂŒbersiedelt Lucien in ein einfaches, kaltes Zimmer im Quartier Latin. Vormittags besucht er die Bibliothek, um sich weiterzubilden, und bleibt dort, bis sie schließt. Danach arbeitet er an seinem Roman und korrigiert Fehler, um anschließend in dem billigen Restaurant Flicoteaux zu Abend zu essen. In der Bibliothek lernt er den jungen Schriftsteller Daniel d’Arthez kennen. Lucien liest ihm sein Manuskript vor, fĂŒr das ihm ein Verleger gerade mal 400 Francs geboten hat. Daniel lobt Luciens Talent, empfiehlt ihm aber, den Roman umzuarbeiten. Durch Daniel lernt Lucien einen Kreis armer Schriftsteller kennen, die alle von der Idee besessen sind, große Dichter zu werden. Sie treffen sich jeden Abend bei Daniel, der BeitrĂ€ge fĂŒr EnzyklopĂ€dien schreibt, was ihn gerade so ĂŒber Wasser hĂ€lt. Lucien, der kein Geld zum Leben hat, versucht erneut sein Manuskript zu verkaufen, trifft den Verleger aber nicht an. Am nĂ€chsten Tag ĂŒberreichen ihm die Freunde 200 Francs. Lucien ist gerĂŒhrt und beschĂ€mt. Er schreibt nach Hause und erhĂ€lt von dort Geld, um seine Schulden zurĂŒckzuzahlen. Lucien entschließt sich, sein GlĂŒck als Journalist zu versuchen. Dies verurteilen die Freunde aufs SchĂ€rfste, da es in ihren Augen einen Ausverkauf des Talents bedeutet. Doch Lucien meint, er könne sich selbst treu bleiben.

Die Welt der Zeitungsleute

Am folgenden Tag stellt er sich bei einer Zeitung vor, doch gelingt es ihm nicht, den Verleger zu sprechen. Daher wartet er im Flicoteaux auf den einzigen Journalisten, den er persönlich kennt: Etienne Lousteau, einen Literaturkritiker. Dieser erzĂ€hlt ihm, auch er habe als Dichter angefangen, doch bringe das zu wenig ein. Er lĂ€dt Lucien ein, mit ihm ein Schauspiel zu besuchen und anschließend bei einem einfachen Essen seinen Verleger kennenzulernen. Gemeinsam gehen sie in eine Galerie, die voller Literaten und Zeichner ist, die Verleger suchen. Lousteau stellt Lucien dem Verleger Dauriat vor, der keinen Hehl daraus macht, dass sich Literatur verkaufen muss. Gönnerhaft willigt er ein, Luciens Gedichte zu lesen. Gemeinsam suchen sie das Theater Panorama Dramatique auf, wo Lucien neben den Schriftstellern und Verlegern aus der Galerie auch Florine, die hĂŒbsche Freundin Lousteaus, trifft. Sie ist Schauspielerin im Panorama. Lousteau kennt alle Schauspieler und kann sogar ĂŒber die Loge des Direktors verfĂŒgen. Coralie, eine Kollegin Florines, verliebt sich sofort in den hĂŒbschen Lucien. Gemeinsam speisen alle bei Florine. Lousteau und seine Kollegen fordern Lucien auf, das eben gesehene StĂŒck zu rezensieren. Sie wollen den Text in der Zeitung, in der Lousteau kĂŒrzlich durch den Kauf von Anteilen Chefredakteur geworden ist, drucken. Als Lucien den Artikel vorliest, bekommt er viel Beifall, denn er ist brillant. Doch sein neuer Freund wittert insgeheim den Konkurrenten und beschließt, Lucien krĂ€ftig auszunehmen.

Erfolg und Intrigen

Die Nacht verbringt Lucien, vom guten Wein betrunken, bei Coralie. Sein Artikel findet viel Anerkennung. Die gleichen Redakteure, die fĂŒr ihn zuvor nicht zu sprechen waren, bieten ihm nun Arbeit an. Eines Tages wird Lucien gebeten, ein Buch des Kollegen Nathan, das er persönlich sehr schĂ€tzt, zu verreißen. ZunĂ€chst erscheint es Lucien absolut unmöglich, so etwas zu tun. Er will sich jedoch an dem Verleger Dauriat rĂ€chen, der seinen Werken keine Beachtung geschenkt, Nathans Buch aber publiziert hat. So lĂ€sst er sich also von Lousteau in die Kunst und Technik des Verrisses einfĂŒhren und beginnt, das schmutzige Spiel der Meinungsmache mitzuspielen. Innerhalb von einer Woche ist er in den Kreis der Literaturkritiker aufgenommen und hat seinen Anteil am Pariser Luxusleben. Zudem kann er sich in der Zeitung öffentlich an Madame de Bargeton und ChĂątelet rĂ€chen, was ihm besondere Genugtuung bereitet. Dauriat gibt sich besiegt und kauft die Verse, die er zuvor abgelehnt hat, fĂŒr 3000 Francs. Nach einem Diner geht Lucien mit den anderen Literaturkritikern in die Oper, in der er noch vor kurzer Zeit so eine Schmach erlitten hat. Am nĂ€chsten Tag wird er aufgefordert, das Buch des Kollegen Nathan in einer Zeitung der politischen Gegenseite ĂŒberschwĂ€nglich zu loben. Lucien ist verwirrt. Doch da die Arbeit gut bezahlt wird, schreibt er den Artikel.

Im Klub der WendehÀlse

Bei einer Gesellschaft trifft Lucien die Marquise d’Espard wieder. Sie sagt, sein Artikel ĂŒber ChĂątelet, mit dem sie lediglich aus gesellschaftlichen GrĂŒnden verkehre, habe sie sehr amĂŒsiert. Sie erzĂ€hlt ihm außerdem, Madame de Bargeton sei untröstlich ĂŒber die Trennung von Lucien gewesen. Sie habe sich schließlich nur mit ChĂątelet eingelassen, damit sich dieser beim König fĂŒr Lucien verwende. Bei so viel Großmut kommt Lucien ins GrĂŒbeln. Hat er Madame de Bargeton etwa unrecht getan? Eines Tages lernt er einen Verleger kennen, der ihm anbietet, statt fĂŒr die Liberalen fĂŒr die Royalisten zu schreiben. Als Liberaler habe er außer PrĂŒgel nichts zu erwarten, da es den Liberalen nie gelingen werde, die Regierung wirklich zu stĂŒrzen. Lucien sieht den Vorteil: Als königstreuer Journalist könnte er leichter geadelt werden. Das nĂ€mlich ist sein Ziel. Jetzt, wo er aufgrund seines Talents die Anerkennung aller Journalisten genießt, möchte er auch in der höheren Gesellschaft etwas gelten und sich einen adligen Namen zulegen. Derweil steigt ihm das Luxusleben zu Kopf. Er lebt in den Tag hinein, kauft kostspielige Kleidung und macht allenthalben Schulden.

Luciens tiefer Fall

Lucien bittet Lousteau, seine Werke zu verkaufen – und prompt sieht er spĂ€ter seinen Roman unter einem nichtssagenden Titel in einem Schaufenster liegen. Er erkennt, dass die frĂŒheren Freunde der liberalen Presse ihn als VerrĂ€ter sehen, da er zur Gegenseite ĂŒbergelaufen ist. Durch ihre Intrigen bekommt auch seine Freundin Coralie kaum noch Rollen. Als Lucien gezwungen wird, ein Buch von Daniel d’Arthez zu verreißen, wird er von dessen Freund zum Duell aufgefordert und erleidet einen Brustschuss. In der Folge geht es mit ihm weiter bergab. Vor allen als erfolglos gebrandmarkt, verliert er jeglichen Einfluss. GlĂ€ubiger rĂ€umen die Wohnung aus, und nur seine Verletzung bewahrt ihn vor dem Schuldenturm. Durch eine Verleumdung zieht sich Lucien auch die Missgunst der Obrigkeit auf sich, sodass seine Adelung scheitert. Coralie stirbt an Kummer, und Lucien, der wegen seiner Spielsucht kein Geld mehr hat, reimt ein paar Verse auf bekannte Gassenhauer, um das BegrĂ€bnis zu bezahlen. Mit dem letzten Geld kehrt er nach 18 Monaten in die NĂ€he seiner Heimatstadt zurĂŒck, wo er, dem Tode nahe, bei einem MĂŒller Obdach erhĂ€lt. Dort erfĂ€hrt er zu seinem Schrecken, dass sein Schwager David im GefĂ€ngnis sitzt, weil er einige gefĂ€lschte Wechsel, die Lucien aus Paris geschickt hat, nicht einlösen konnte.

Intrigen auf dem Land

RĂŒckblende: Weil sie Lucien finanziell unterstĂŒtzten, blieb Eva und David nicht viel zum Leben. Eva fĂŒhrte die GeschĂ€fte und brachte ein Heftchen mit Volkssagen heraus, das sich gut verkaufte. Derweil entwickelte David ein Verfahren, aus hanfartigem Material billiges Papier herzustellen. Doch ein Mitarbeiter verriet die PlĂ€ne an die direkten Konkurrenten, die GebrĂŒder Cointet. Durch einen Trick dehnten diese ihren Einfluss auf Davids Druckerei aus. Von einem GeschĂ€ftsmann erhielten sie drei Wechsel auf 1000 Francs, auf denen Lucien Davids Unterschrift gefĂ€lscht hatte. Der Anwalt Petit-Claud, ein Schulkamerad Davids, wurde darauf von den BrĂŒdern Cointet bestochen: Er sollte David im Verfahren um die gefĂ€lschten Wechsel vertreten und ihm dafĂŒr extrem hohe Prozesskosten aufbrummen, die David zugrunde richten und ihn ins GefĂ€ngnis bringen sollten. So kam es, dass sein gesamter Besitz verpfĂ€ndet wurde. David floh, um weiter an seiner Erfindung zu forschen.

„David hatte das Format, das die Natur denen gibt, die fĂŒr große KĂ€mpfe, seien es offenkundige, seien es geheime, bestimmt sind.“ (S. 39)

WĂ€hrend sich David immer noch versteckt hĂ€lt, kehrt Lucien schließlich nach Hause zurĂŒck. Wie zum Hohn erhĂ€lt er eine Einladung von Madame de Bargeton und ChĂątelet, die inzwischen geheiratet haben. Bei einer Gesellschaft versichert er Madame, er liebe sie noch immer. Sie ist so gerĂŒhrt, dass sie verspricht, David finanziell zu helfen. In seiner Freude schreibt Lucien David einen Brief, doch dieser wird abgefangen und durch einen anderen ersetzt. Im Glauben, alles sei gut, kommt David aus seinem Versteck und wird ergriffen. Lucien ist zutiefst bestĂŒrzt. In einem Abschiedsbrief teilt er Eva mit, er wolle sich töten, da er nur UnglĂŒck ĂŒber alle bringe. Er verlĂ€sst die Familie und trifft auf der Straße auf den spanischen AbbĂ© Carlos Herrera, der ihn vom Selbstmord abhĂ€lt und ihm 15 000 Francs fĂŒr David anbietet, wenn Lucien mit ihm nach Paris komme und ihm blind gehorche. Er willigt ein. Inzwischen schlĂ€gt Petit-Claud Eva vor, die Druckerei und das Patent fĂŒr Davids Erfindung zu verkaufen, um die Schulden zu tilgen. Kurz nachdem dies getan ist, erhalten sie und David auch noch das Geld von Lucien, fĂŒr das er „seine Seele“ an den spanischen AbbĂ© verkauft hat. Sie erwerben sich damit ein kleines StĂŒck Land, wo sie fortan glĂŒcklich leben.

Zum Text

Aufbau und Stil

Der 800 Seiten schwere Roman Verlorene Illusionen besteht aus drei Teilen mit unterschiedlichen Spielorten und HandlungsstrĂ€ngen. Der erste Teil dreht sich um die Freundschaft von David und Lucien sowie die Bestrebungen Luciens, Dichter zu werden und gesellschaftlich aufzusteigen. Nach dem Erfolg in der Provinz geht Lucien im zweiten Teil des Romans den Schritt nach Paris und erlebt hier ein Auf und Ab der Karriere: Wechselnde Liebschaften, Erfolg und Misserfolg, Allianzen mit KĂŒnstlern und Kunstkritikern, Verrat und Gegenverrat charakterisieren diese Zeit. Im dritten Teil schwenkt der ErzĂ€hlfokus wieder in Luciens Heimatstadt zurĂŒck, wo sein Schicksal und das von David erneut zusammengefĂŒhrt werden. FĂŒr den heutigen Leser mögen Balzacs Weitschweifigkeit und die unzĂ€hligen Figuren etwas ermĂŒdend wirken: Zu viele Personen fĂŒr zu wenig Handlung, so kommt es einem an manchen Stellen vor. Kunstvoll jedoch verwebt Balzac die HandlungsstrĂ€nge mit detaillierten und realistischen Beschreibungen der verschiedenen gesellschaftlichen Milieus, nebenbei gibt er einen guten Einblick in die ArbeitsablĂ€ufe des damals neuen Massenmediums Zeitung. Die Ambitionen der Figuren stehen in Wechselwirkung mit dem gesellschaftlichen Umfeld; dies deutlich zu zeigen, gehört zu den Hauptmerkmalen des Romans. Balzac bedient sich vornehmlich eines auktorialen, allwissenden ErzĂ€hlers, der von einer höheren Warte aus beobachtet, erklĂ€rt, analysiert und kommentiert.

InterpretationsansÀtze

  • Verlorene Illusionen ist, wie fast alle Werke Balzacs, ein Gesellschaftsroman, der vor allem das Streben der Menschen nach Geld und Macht sowie Intrigen und Korruption beschreibt. Besonders in der Metropole Paris gedeiht das RĂ€nkespiel und stehen Intrigen auf der Tagesordnung. Aber auch in der Provinz macht sich der Egoismus breit, wie der dritte Teil des Romans zeigt.
  • Am Ende hat Lucien auf zwei Gebieten seine Illusionen verloren: Sein Lebenstraum, als Dichter berĂŒhmt zu werden, scheitert genauso wie seine Hoffnung auf gesellschaftlichen Aufstieg. Der Wunsch nach echter Liebe ĂŒber Standesgrenzen hinweg erweist sich noch wĂ€hrend seines Lebens in der Provinz als Illusion.
  • Im zweiten Romanteil schreibt Balzac eine Ă€tzende Satire auf die französische Presse, auf die Journalisten und auf den neuen Typ von Erfolgsschriftsteller, der fĂŒr das Feuilleton arbeitet. Die Presse erlebte wĂ€hrend der Julimonarchie 1830–1848 einen rasanten Aufstieg und verankerte sich selbst als Machtinstrument in Staat und Gesellschaft.
  • In den Ansichten der Verleger und Journalisten, die Lucien begegnen, wird deutlich: Der Markt rĂŒckt immer mehr ins Zentrum der Kunst. Egal ob es um Artikel, Theaterbesprechungen oder BĂŒcher geht, nicht mehr die kulturelle Elite der Gesellschaft, sondern allein die zahlenden Konsumenten bestimmen, was publiziert und verkauft wird.
  • Mit der Figur des politisch engagierten, idealistischen Bohemiens d’Arthez, der sich vollkommen gegen die Vermarktung der Kunst ausspricht, hat Balzac einen Gegenpol zum opportunistischen Lucien geschaffen: D’Arthez warnt jenen eindringlich davor, die Kunst zu verraten und zur Journalistenclique zu wechseln. Dazu muss man wissen, dass Balzac selbst sein Leben lang die Vermarktung seiner eigenen, massenhaft publizierten Werke betrieb, allerdings mit wechselndem Erfolg.

Historischer Hintergrund

Frankreich zwischen Restauration und Zweitem Kaiserreich

Die erste HĂ€lfte des 19. Jahrhunderts war in Frankreich eine Zeit des Umbruchs. Nach der Verbannung Napoleons und dem Ende des Kaiserreichs im Jahr 1815 brach das Zeitalter der Restauration, der Wiedereinsetzung der Bourbonenherrschaft in Frankreich, an. Louis XVIII. versuchte, einen Ausgleich zwischen der alten aristokratischen Welt und dem erstarkenden liberalen BĂŒrgertum herzustellen. Die Regierungsform war eine konstitutionelle Monarchie mit zwei Parlamentskammern. Politisch standen sich die royalistischen Ultras und die Liberalen gegenĂŒber. Nach Louis' Tod ĂŒbernahm dessen Bruder als Charles X. die Regierungsgewalt. Weil dieser die Errungenschaften der Französischen Revolution mit FĂŒĂŸen trat und zunehmend eine reaktionĂ€re Politik anstrebte, explodierte im Juli 1830 das Pulverfass Paris: Auf den Barrikaden in den Straßen der Stadt setzte sich das Volk in der so genannten Julirevolution durch und erreichte die Abdankung des Königs. Dennoch wurde aus Frankreich keine Republik, sondern eine konstitutionelle Monarchie, an deren Spitze der „BĂŒrgerkönig“ Louis-Philippe gewĂ€hlt wurde. Die republikanisch-liberalen KrĂ€fte im Staat forderten 1848 eine Wahlrechtsreform, die ihnen der König aber nicht gewĂ€hren wollte. Abermals gab es eine Revolution, bei der die Franzosen jedoch vom Regen in die Traufe gerieten: Sie wĂ€hlten den Neffen Napoleons zum PrĂ€sidenten ihrer neuen Republik. Als Kaiser Napoleon III. sicherte sich dieser durch einen Staatsstreich diktatorische Vollmachten, löste die Republik auf und proklamierte das Zweite Kaiserreich.

Entstehung

1835 gab Balzac einem Freund gegenĂŒber eine ziemlich scharfe Beurteilung ĂŒber einen jungen, aufstrebenden Dichter ab: „Dieser junge Mann ist typisch fĂŒr unsere Zeit. Wenn man keinerlei Begabung fĂŒr irgendetwas hat, greift man sich einen Stift und tut so, als sei man eine Person mit Talent.“ Dieser aufstrebende Poet wurde zum Vorbild fĂŒr Balzacs Romanfigur Lucien Chardon, der nach Paris geht, um dort seinem Traum vom Dichterruhm nachzujagen. Balzac schuf Verlorene Illusionen nicht als ein in sich geschlossenes Werk, sondern als drei eigenstĂ€ndige Romane, die auch zu unterschiedlichen Zeiten erschienen. Innerhalb des aus gut 90 BĂ€nden bestehenden Zyklus Die menschliche Komödie sollten sie zusammengefĂŒhrt werden. Der erste Teil erschien 1837 unter dem Titel Die beiden Dichter, der zweite 1839 als Ein großer Mann aus der Provinz in Paris und der dritte unter dem Titel Die Leiden des Erfinders im Jahr 1843. Gesammelt wurden alle drei Teile unter dem Romantitel Verlorene Illusionen ebenfalls 1843 veröffentlicht.

Balzac war ein Vielschreiber, der eine unglaubliche Menge von Romanen verfasste. Er sagte von sich selbst: „Ich habe eine ganze Gesellschaft in meinem Kopf.“ Um diese zu Papier zu bringen, begann er in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts mit dem Projekt der Menschlichen Komödie, die ursprĂŒnglich 137 Romane enthalten sollte. Letztlich schaffte es Balzac, bis zu seinem Lebensende immerhin 91 Romane und ErzĂ€hlungen mit einem Arsenal von rund 3000 Personen zu verfassen. Seine literarisch bahnbrechende Idee war, bestimmte Hauptpersonen und Nebenfiguren in ihren Funktionen (beispielsweise als Arzt oder Rechtsanwalt) in mehreren Romanen auftreten zu lassen, sodass sich ein zusammenhĂ€ngendes Gesellschaftspanorama ergab. Balzac rĂ€umte den Verlorenen Illusionen eine besondere Rolle innerhalb der Menschlichen Komödie ein. GegenĂŒber Madame Hanska, seiner spĂ€teren Ehefrau, bezeichnete er den Roman als „das monströse Buch“ und das „Hauptwerk im Gesamtwerk“.

Wirkungsgeschichte

Die menschliche Komödie und Verlorene Illusionen mit ihr gehören zu den bedeutendsten Werken des französischen Realismus, dem neben Balzac auch Gustave Flaubert und Stendhal zuzuordnen sind. Der Naturalist Émile Zola hat spĂ€ter nach Balzacs Vorbild eigene Werke in seinem 20-bĂ€ndigen Rougon-Macquart-Zyklus zusammengefasst.

Victor Hugo bezeichnete den Roman als „eine mutige Handlung und zugleich eine Geschichte voller Wahrheit“. Charles Baudelaire schwĂ€rmte ĂŒber Balzac, dieser sei „der gewaltigste HĂ€ndler- und Literatenkopf des 19. Jahrhunderts“. Walter Benjamin empfand die Verlorenen Illusionen „wie ein nahrhaftes Gericht“ und „dazu da, verschlungen zu werden“. Thomas Mann nannte den Roman „spannend, sensationell, mĂ€chtig fabuliert (...) und im Ganzen von einer wilden GrĂ¶ĂŸe“. Vor allem der zweite Teil mit dem umfangreichen Abschnitt ĂŒber die Manipulierbarkeit der öffentlichen Meinung durch die Presse ist auch heute noch sehr lesenswert. Vor dem Hintergrund der allgegenwĂ€rtigen PR-Maschinerie, die Schmutz an der Unternehmens- oder Politikerweste reinwaschen will, erscheint er aktueller denn je.

Innerhalb der Menschlichen Komödie ist dieser Roman der einzige, dessen Hauptperson auch der Held des Folgeromans ist: Am Ende von Verlorene Illusionen trifft Lucien auf den AbbĂ© Herrera, der in Wirklichkeit der verkleidete Vautrin aus dem frĂŒheren Roman Vater Goriot ist, und geht mit ihm eine Art faustischen Pakt ein. Im Roman Glanz und Elend der Kurtisanen landen die beiden in Paris und Lucien begeht, nach erneutem Fall, nun doch noch Selbstmord.

Über den Autor

HonorĂ© de Balzac wird am 20. Mai 1799 in Tours geboren. Sein Vater, der Sohn eines Bauern, hat sich zum leitenden Beamten hochgearbeitet, seine Mutter stammt aus gutbĂŒrgerlicher Familie. 1814 zieht die Familie Balzac nach Paris. Ein Jurastudium bricht der junge Balzac ab, um Schriftsteller zu werden. Lange Jahre ist er erfolglos. Er macht Schulden, die ihn fĂŒr den Rest seines Lebens drĂŒcken werden, als er sich 1826 als Verleger versucht und eine Druckerei kauft, die zwei Jahre spĂ€ter Konkurs anmelden muss. 1829 stellt sich erster schriftstellerischer Erfolg ein, der ihm Zutritt zu Adelskreisen verschafft. Er fĂŒhrt ein Leben ĂŒber seine VerhĂ€ltnisse und hat viele Liebschaften mit zumeist verheirateten Damen. 1832 tritt die ukrainische GrĂ€fin Eva Hanska mit ihm in Briefkontakt. Die beiden schreiben sich 18 Jahre lang und sehen sich gelegentlich auf Reisen, bis sie ihn wenige Monate vor seinem Tod schließlich heiratet. Balzac schreibt einen Roman nach dem anderen. Er fasst seine Werke bereits frĂŒh in Gruppen zusammen. WĂ€hrend der Entstehung eines seiner bekanntesten Texte, Le pĂšre Goriot (Vater Goriot, 1834/35), hat er die Idee, dieselben Romanfiguren in verschiedenen Werken auftreten zu lassen und so ein ĂŒberschaubares, vielfĂ€ltig verwobenes Romanuniversum zu schaffen. Das Projekt der ComĂ©die humaine, der Menschlichen Komödie, entsteht mit seinen Großgruppen und Untergruppen und dem Ziel, ein umfassendes SittengemĂ€lde von Balzacs Zeit zu entwerfen. DafĂŒr erlegt sich der Schriftsteller ein unglaubliches Arbeitspensum auf, schreibt oft bis zu 17 Stunden am Tag. 91 der 137 geplanten Romane und ErzĂ€hlungen kann er fertigstellen. Zu den bekanntesten zĂ€hlen Illusions perdues (Verlorene Illusionen), EugĂ©nie Grandet, Splendeurs et misĂšres des courtisanes (Glanz und Elend der Kurtisanen) und La peau de chagrin (Das Chagrinleder). Balzac gilt zusammen mit Stendhal und Flaubert als der BegrĂŒnder des literarischen Realismus in Frankreich. Die stĂ€ndige Überanstrengung ruiniert seine Gesundheit, er stirbt am 18. August 1850 in Paris.

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